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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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schon, Herr Masuch ... Günter. Ich finde ...«
    »Litten? Was ist denn los? Bist doch sonst so auf Zack, Mensch!«
    »Günter, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich ... –«
    »Mein lieber Litten, ich kann mir alles vorstellen, außer dass Schalke 04 irgendwann Meister wird. Den Auftritt von Bella Gabor bei Barbara Freitag, also im Ernst, den kann ich mir besonders leicht vorstellen. Und jetzt mal unter uns Kegelbrüdern, ich weiß natürlich, dass du da nicht selber hinkannst.«
    Eine plötzliche Erleichterung zerpflügte meinen kompletten Darmtrakt, und der Soundtrack dieser Erleichterung gluckerte lauter als das Abflussrohr im Spaßbad.
    »Aber, gut, alles klar, aber, wenn ich nicht, wer soll denn dann hin?«
    Ich blickte mich ängstlich um. Niemand war zu sehen. Aber die Zeit rannte mir davon. Mir blieben nur noch Sekunden, um die Frage nach einer würdigen Messiasdarstellerin zu beantworten. Siggi schloss wahrscheinlich in diesem Moment sein Mountainbike auf dem Redaktionshof ab, und Ansgar gab mit Sicherheit gerade seiner Carola einen Abschiedskuss auf ihren meist viel zu grell geschminkten Gynäkologinnenmund, um dann die sechseinhalb Minuten zwischen Sankt-Maria-Krankenhaus und Redaktion feuilletonistisch behutsam im weinroten Saab-Cabrio zu überbrücken. Und Günter machte die schweigende Welle am Telefon.
    »Günter? Keine Ahnung. Ehrlich.«
    »Mensch, wenn ich Sie nicht hätte, Litten, dann hätte ich einen anderen, was?!«
    Er siezte mich wieder, er war auf dem Weg zum offiziellen Ende der Kommunikation.
    »Jaha ... Aber wer ist denn nun Bella Gabor in der Talkshow?«
    »Na, wer wohl. Ihre Frau!«
    Ich verschluckte fast den Hörer und war mir für einen Moment nicht sicher, ob noch alle Körperfunktionen ihre naturgegebene Pflicht erfüllten. Das Erleichterungsgluckern endete mit einem Schlag. Stattdessen pumpte sich meine Herzkammer in Sekundenschnelle einer Frühverrentung entgegen. Im günstigsten Fall. Im schlimmsten Fall einer notwendigen Bypassoperation. Mein Blutdruck war nicht nur messbar, sondern hörbar. 180 Schläge gegen die Arterienwände sind lauter als japanische Kriegstrommeln.
    »Meine Frau?«
    »Wer sonst?«
    »Meine Frau?« Ich wiederholte die Frage in der abstrusen Hoffnung, damit das Gesagte und Gehörte mit einem rhetorischen Reset ins Jenseits zu befördern.
    »Litten, alles in Ordnung?«
    »Günter, meine Frau, die ... meine Frau, die ... das ... die ... das, das geht nicht.«
    »Sie muss es natürlich nicht umsonst machen.«
    »Sie würde es noch nicht mal für Geld machen, sie weiß ja noch nicht mal, dass ich ... –« Weiter kam ich nicht.
    »Ich muss Schluss machen, meld mich später.«
    Klick. Piep. Aus.
    Günters Welle hatte sich zurückgezogen. Er hatte offensichtlich nicht den blassesten Schimmer von der Ahnungslosigkeit meiner Frau. In seinem Denken existierte das Modell ahnungslose Frau gar nicht. Eine Frau hatte alles zu wissen, außer den Dingen, die nicht für sie bestimmt waren. Aber ein Fortsetzungsroman wie die
Messias
, mit dieser Sprengkraft, diesen Konsequenzen, dieser Nachhaltigkeit, so etwas muss man ja fast grundgesetzlich verpflichtet seiner Frau erzählen. Günter hatte nicht die leiseste Ahnung, welche Welt außerhalb seiner eigenen noch existierte. Vielleicht war das der Grund für seine drei gescheiterten Ehen. Vielleicht hatte er seinen Frauen zu viel erzählt. Vielleicht auch zu wenig. Auf jeden Fall wahrscheinlich immer das Falsche.
    »Moin!«
    Siggi zog sich seinen Fahrradhelm vom Kopf, um dann wie immer ohne einen einzigen Tropfen Schweiß auf der Stirn seinen Computer hochzufahren. Wer nach zwanzig Kilometern auf dem Bike schon schwitzt, gehört in die Kiste, aber zwanzig Zentimeter unter dem Torf. Siggis Sicht der Dinge war auch in Fitnessfragen stets eine Mischung aus simpelster Denke und testosteronlastiger Selbstüberschätzung.
    »Was Neues?«, fragte Siggi, ohne wirklich mit einer Antwort zu rechnen.
    »Nee.«
    »Siehst schlecht aus. Ärger?«
    »Nee!«
    »Kreislauf? Musst mehr Sport machen oder mal wieder Bettina an die Pumpe lassen. Zu viel Tinte im Füller macht schlapp.«
    »Siggi? Tust du mir einen Gefallen?«
    »Kaffee?«
    »Nee, halt einfach die Klappe, ja?«
    Siggi nickte stumpf und widmete sich dann den News-Seiten auf seinem PC .
    Für mich war der Tag gelaufen, ehe er richtig angefangen hatte. Alles, was folgte, nahm ich als persönlichen Angriff. Selbst die Art, wie Siggi sich zwei fermentiert braune Powerriegel in

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