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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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Stenoblock und Siggis Schmollwinkel ermutigten mich zu einer Spaßoffensive: »Und, alles klar?«
    Keiner reagierte. Die Spaßoffensive war gar keine, sondern nur eine bemitleidenswerte Geste der Resignation. Die Erinnerung an einen herrlichen Morgen mit Bettina und die Aussicht auf weitere verhalfen meiner guten Laune zu einer fröhlichen Wiederkehr.
    »Na, dann is’ ja alles klar.«
    Wieder lachte keiner, aber dafür ging jeder wieder an seine Arbeit, bis auf Frau Löffler und ihren Stenoblock.
    »Kann ich was für Sie tun, Frau Löffler?«
    »Oh ja, ich meine nein, das heißt, schon. Da ist eine Mail gekommen, die Sie beantworten sollten.«
    »Ausgedruckt?«
    Der Ausdruck wartete ordnungsgemäß unter dem Stenoblock und kam nun zu seinem Einsatz.
    »Ich weiß auch nicht...«, bereitete mich Frau Löffler nur sehr unzureichend auf das vor, was ich dann zu lesen bekam.
    Offener Brief an den Verwaltungsrat des Sankt-Maria-Krankenhauses in Muenden
    Seit 1956 gab es in der Gynäkologie des Sankt-Maria-Krankenhauses keinen einzigen weiblichen Chefarzt. Diese Tatsache stellt schon für sich einen Skandal sondergleichen dar. Nicht nur in Bezug auf sämtliche Gleichstellungsfragen, sondern auch auf rein medizinischer Ebene. Denn dieses Faktum kann ja nur bedeuten, dass es in fünf Jahrzehnten keiner einzigen Ärztin gelungen sein kann, eine ähnliche Kompetenz im Bereich der Gynäkologie zu erreichen, wie ihre männlichen Kollegen sie offensichtlich schon per Geburt besitzen.
    Ich möchte an dieser Stelle nicht nur darauf hinweisen, dass ich im Rahmen meiner Recherche weiterhin feststellen musste, dass es zahlreiche Bewerbungen von weiblichen Fachärzten gegeben hat, mit zum Teil überragenden fachlichen Qualifikationen; ich muss auch deutlich machen, dass es in keinem einzigen Fall zu einer überzeugenden Absage an die Bewerberinnen gekommen ist. Es gab überhaupt keine Begründungen. Dies stellt eine eklatante Verletzung des Gleichstellungsgrundsatzes dar. Fallen Bewerbungsabsagen etwa unter das Beichtgeheimnis, wenn sie von einem kirchlichen Arbeitgeber kommen? Wohl kaum. Mit über 1 , 2 Millionen Beschäftigten ist die Kirche Deutschlands größter Arbeitgeber nach Vater Staat. Demzufolge muss sich auch die Kirche ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Verantwortung als Arbeitgeber verpflichtet fühlen. Dies gilt auch in besonderem Maße für den Gleichstellungsgrundsatz. Am Sankt-Maria-Krankenhaus scheint diese Verantwortung nicht vorhanden zu sein. Ich fordere daher die Mitglieder des kirchlichen Trägers unmissverständlich auf, die von mir an dieser Stelle vorgetragenen Sachverhalte und Anschuldigungen zu klären und in geeigneter Form zu diskutieren.
     
    Dr.Carola Rammelau – Oberärztin Gynäkologie
    Ein kurzer Blick zu Ansgar reichte, um mir klarzumachen, dass er diese Zeilen seiner Frau kannte. Dass er versucht hatte, sie zu verhindern. Mit sachdienlichen Argumenten, scheinheiligen Beschwichtigungen und fadenscheinigen Behauptungen. Vergeblich. Wenn eine Frau wie Carola sich etwas vornimmt, ist es so verhinderbar wie das Fallen der Blätter im Herbst. Und dennoch wird Ansgar es wenigstens versucht haben, mit einem tragischen Ende, dessen fleischgewordenes Ergebnis mir nun gegenübersaß und nicht einmal wusste, wie es mit mir darüber reden konnte.
    »Und? Was soll ich jetzt machen?« Ich schaute Ansgar an und wusste sofort, dass ich ebenso gut meine EC -Karte oder Frau Löfflers Blumen hätte fragen können. Das Zucken seiner Schulter geschah nur andeutungsweise, als würde eine zentnerschwere Last jedes deutlichere Heben unmöglich machen.
    »Wenn wir das bringen, dann tobt hier morgen der Bär.«
    »Es ist ein Leserbrief, ohne jeden redaktionellen Inhalt«, mischte sich Siggi von hinten ein. Er hatte recht, keine Frage.
    »Ich weiß. Aber das ist die Frau eines Kollegen«, erklärte ich.
    »Na und? Gibt’s jetzt wieder Sippenhaft oder wie?«
    »Siggi?« Meine Stimme klang mahnend, sollte sie jedenfalls.
    »Wieso, ist doch wahr, darf die nix Kritisches schreiben, nur weil ihr Mann bei uns arbeitet?«
    Ansgar schwieg weiter, auch wenn es seine Frau war, die Siggi zur Grundlage einer sauber geführten Attacke machte.
    »Ich finde, ich finde ... es ist nicht einfach, weil ...«
    »Weil?« Siggi bekam langsam die Kontrolle über die Situation, und mir wurde einmal mehr klar, dass die friedliche autokratische Leitung einer kleinen Redaktion wie der meinigen sehr schwer bis fast unmöglich war. Jedenfalls für einen

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