Neuanfang
Rhonda neben sich. Die Kinder hatten sich inzwischen an Daynes Anwesenheit gewöhnt und bisher waren noch keine Paparazzi zu den Proben erschienen.
„Okay, lasst uns die Szene einmal von Anfang an proben.“ Katy stand auf und bedeutete den Schauspielern, ihre Plätze einzunehmen.
Fünfzehn Jungs, darunter Connor, verteilten sich auf der Bühne, wo sie sich hinlegten und so taten, als ob sie schliefen. Patrick holte die Schatztruhe hervor und starrte hinein. Er bewegte seine Finger in perfekter Fagin-Manier. Doch als er auf Zehenspitzen durch die schlafenden Jungen schlich und tief Luft holte, fiel seine Nase ohne Vorwarnung in die Schatztruhe.
Dayne hielt sich die Hand vor den Mund, um sein Lachen zu verbergen, und die Jungen auf der Bühne mussten ebenfalls ihr Kichern unterdrücken.
Katy holte tief Luft und zog ihr gelbes Notizbuch heran. Nase ankleben, schrieb sie auf.
Patrick jedoch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Während er durch die Juwelen und Kostbarkeiten in der Schatztruhe wühlte, nahm er die falsche Nase einfach heraus und befestigte sie geschickt wieder an ihrem Platz.
Diese Geste verpasste Dayne den Rest. Er beugte sich vornüber und brach in ein solches Gelächter aus, dass es im ganzen Raum deutlich zu hören war. Katy legte ihren Arm um Daynes bebende Schultern und rief: „Fünf Minuten Pause!“ Sie senkte ihr Gesicht neben Daynes. „Vielleicht braucht Fagin keine große Nase.“
„Oder vielleicht …“ Dayne sah auf und versuchte, seine Fassung wiederzuerlangen. „Vielleicht nehmen wir das auch einfach in die Szene mit auf, wie er die Nase in der Schatztruhe findet und sich aufsetzt.“
„Sehr lustig.“ Katy fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Rhonda, frag doch bitte Bethany, ob sie uns einen anderen Kleber besorgen kann.“
Rhonda kicherte ebenfalls. Sie rannte hinaus, um Bethany zu finden, und nach ein paar Minuten hatte sich die Aufregung gelegt, sodass sie die Szene erneut proben konnten. Eines der Lieder, an denen sie arbeiteten, war „I’d Do Anything“. In diesem Lied bietet der kleine Taschendieb – von Connor gespielt – schelmisch an, alles zu geben, um die Liebe von Nancy zu gewinnen. Ihre Rolle stellte Bailey Flanigan atemberaubend und überzeugend dar.
Katy glaubte zu wissen, warum das so war. Es schien zu Hause für Bailey im Moment besser zu laufen, denn sie war nicht mehr so launisch wie zuvor. Sie und Jenny verbrachten wieder mehr Zeit miteinander und Bailey hatte in Cody Coleman offenbar einen guten Freund gefunden. Cody seinerseits besuchte treu seine Therapiestunden und blieb ansonsten viel zu Hause. All das gab Bailey die Möglichkeit, sich auf ihre Rolle zu konzentrieren. Deshalb war die Szene jetzt schon, obwohl die Premiere erst in einigen Wochen stattfinden würde, fast perfekt.
Nach dem Ende der Probe, nachdem Rhonda und Bethany nach Hause gegangen waren und die Eltern ihre Kinder abgeholt hatten, räumte Dayne die letzten Sachen weg. Katy saß an ihrem Schreibtisch und las ihre Notizen von der heutigen Probe durch.
Die Brücke war ein wichtiges Requisit der Szene, doch wenn siebzig Kinder auf der Bühne standen, konnte kein Zuschauer mehr die Handlung sehen. Das Technikteam musste einen Spot besorgen, der hell genug war, um inmitten all der Kinder den kleinen Taschendieb Dodger herauszuheben, wenn er sein Lied für Nancy sang. Sonst wäre es für die Zuschauer zu schwer zu erkennen, wer aus Fagins Bande gerade etwas vortrug.
Katy hatte gerade halbwegs ihre Notizen durchgearbeitet, als etwas ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie sah auf und erblickte Dayne, der mitten auf der Bühne stand, seine Hand zu ihr ausgestreckt, eine langstielige Rose aus Plastik in seinem Mund. Mit einer dramatischen Geste nahm er die Rose und hielt sie ihr hin. „Verehrteste … dürfte ich Sie um einen Tanz bitten?“ Sein englischer Akzent war überdeutlich und affektiert. „Verehrteste …“
Katys Herz schmolz dahin und sie legte ihren Stift zur Seite. „Aber Dodger, Sie sind ja ein richtiger Gentleman!“ Sie stand auf und ging zur Bühne, wo sie seine Hand ergriff.
Mit einer einzigen Bewegung zog Dayne sie auf die Bühne hoch. Dann sank er auf ein Knie und streckte beide Arme aus. Während er seinen Akzent beibehielt, sang er mit einer Stimme, die den ganzen Raum erfüllte: „Ich tue alles für dich, meine Liebste, alles …“
Katy war wie gebannt. Sie spielte ihre Rolle, so gut sie konnte, genoss jede Sekunde und war ganz gefangen in dem
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