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Neubeginn in der Rothschildallee - Roman

Neubeginn in der Rothschildallee - Roman

Titel: Neubeginn in der Rothschildallee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Trüffelschwein gehabt.«
    Das beliebte Kölnisch Wasser war unmittelbar nach der Währungsreform wieder aufgetaucht. Man konnte es selbst in kleinen Drogerien und in schäbigen Bahnhofskiosken kaufen. Nicht nur die deutschen Fräuleins mit den Nylonstrümpfen und den blond gefärbten Haaren, auch Deutschlands Frauen, die Trümmer weggeräumt und aus Kartoffelschalen Gemüsesuppe gekocht hatten, wollten schön sein. In Frankfurt gab es wieder den geliebten Lippenstift der Marke Khasana. Die Damen erzählten einander, er mache schöne Lippen, und die jungen Mädchen kicherten, nur Khasana sei kussfest. Wer einen spendablen Gatten hatte oder als Kriegswitwe in einer prosperierenden Onkelehe lebte, hatte nicht nur einen Lippenstift und eine Puderdose in der Handtasche. Im Schlafzimmer stand das dickbäuchige Fläschchen 4711 aus der Kölner Glockengasse auf der Spiegeltoilette.
    Fritz drehte sich nach Fanny um. Zunächst war er nur besorgt und ängstlich, doch die Wut und die Hilflosigkeit eines Mannes, dessen Familie bedroht wird und der weiß, dass er nicht stark genug ist, sie zu schützen, kochten bereits. Er erinnerte sich, dass die Wehrlosen schon zu zittern begannen, wenn einer an der Haustür klingelte. »Sie sind immer morgens gekommen«, murmelte er, »morgens um fünf.«
    »Wer ist Brutus?«, fragte Fanny.
    Ihr rötliches Haar leuchtete. Fanny war schön, stark, jung und furchtlos. Die grünen Augen sprühten Freudenfunken, die Haut duftete. Wie die Haut ihrer Mutter geduftet hatte. Weshalb fragte sie nach Brutus, war Brutus ein Geheimwort? Waren denn Geheimworte schon wieder nötig? »Geh wieder rein«, befahl Fritz. »Und stell nicht so kreuzdämliche Fragen. Das hier ist keine Weibersache.«
    Er kam nicht mehr dazu, sich zu genieren, dass er mit Fanny umgegangen war wie sonst nie, denn genau in dem Augenblick, da sie die Wohnungstür so laut hinter sich zuschlug, wie nur gekränkte Frauen eine Tür zuschlagen, hörte er das Flüstern. Das Geräusch, das endlich Bewegung anzeigte, hielt so kurz an, dass Fritz glaubte, er hätte sich getäuscht, er schüttelte den Kopf, wurde aufs Neue wütend, ballte die Faust und trat gegen die Eisenstangen vom Treppengeländer. Da begann ein Kind zu weinen, zunächst jammerte es leise wie ein hungriger Säugling, bald brüllte es empört, und immer wieder schrie es dasselbe Fritz unbekannte Wort.
    Er verschränkte die Hände ineinander, war erleichtert, als er merkte, dass er seine Angst überwunden hatte und dass er fähig war, logisch zu denken. Er konnte das Getuschel und das Kinderweinen deuten. Nicht nur eine einzelne Person stand da unten, es mussten mindestens zwei sein. Und mindestens ein Kind! Wer aber ging denn am Sonntagmorgen mit einem kleinen Kind auf Besuch, ohne sich vorher anzumelden? Fritz beschloss, nach unten zu gehen. Er war wieder ein Mann ohne Makel, er konnte aufrecht stehen, ihm entging nichts, er konnte hören, riechen und klar denken, er konnte in der Akte seines Lebens blättern und sie zuklappen wie einer, der weder Zweifel noch Zaudern kennt. Zufrieden dachte er an das Danziger Goldwasser, auf Kinderart leckte er seine Lippen, holte den Geschmack zurück und beschloss, beim nächsten Mal eine Flasche Eierlikör zu kaufen. »Oder Kakao mit Nuss«, sagte er.
    Es war der Moment, da ihn der süßliche Duft im Hausflur erreichte. Obgleich Fritz seit Jahren ausschließlich Virginiazigaretten rauchte, identifizierte er den Duft im Hausflur sofort als Orienttabak. Es war ein besonders starker Orienttabak. Er sah Rauch nach oben steigen, der Honigduft quälte die Nase noch mehr als zuvor. Fritz begriff, was ihm sein Gedächtnis suggerierte, doch er schüttelte den Kopf, wehrte sich, wie ihm die Erfahrung gebot, gegen Ahnung, Hoffnung und Illusion.
    »Jetzt machen Sie doch endlich mal das Maul auf«, schnauzte er. »Wenn Sie mich für dumm verkaufen wollen, müssen Sie schon früher aufstehen.«
    Wieder wurde geflüstert, und wieder war es danach beklemmend still, dann lachte eine Frau. Lachte sie den Feigling aus, der sich von seiner Fantasie in die Vergangenheit hatte jagen lassen? Es war nicht eine, die da lachte, es waren zwei – freche, provozierende Eindringlinge, die so taten, als wären sie zu Hause. »Na wartet!«, drohte Fritz. Ein Mann nieste, er trompetete beim Niesen wie ein Nilpferd, schnäuzte sich laut und aufdringlich, ein Gegenstand aus Metall fiel zu Boden, der süßliche Tabakduft durchströmte das ganze Haus. Wer zum Teufel hatte

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