Neubeginn in Virgin River
der Sprechstundenplan für den heutigen Tag aussah. Jedenfalls konnte sie sich nicht daran erinnern, für den Vormittag irgendwelche Termine vereinbart zu haben. Und doch beeilte sie sich nicht, in die Praxis zu kommen. Es war noch früh, und sie hatte einen wichtigen Anruf zu erledigen.
„Ich wünschte, ich könnte dein Gesicht sehen, wenn ich dir das jetzt erzähle, Joey“, begann sie. „Ich hoffe, du sitzt. Ich bin nämlich schwanger.“
Sie konnte hören, wie Joey Luft holte. Dann Schweigen.
„Schwanger“, wiederholte Mel. „Ich bekomme ein Baby!“
„Bist du sicher?“
„Im dritten Monat.“
„Oh, mein Gott, Mel!“
„Ich weiß. Mich hat es auch völlig umgeworfen.“
„Im dritten Monat? Also dann …“
„Mach dir nicht die Mühe, nachzurechnen. Meine Periode hatte ich nicht mehr, seit er mich zum ersten Mal berührt hat. Seine Zeugungsfähigkeit scheint für uns beide zu reichen. Anfangs hielt ich es für völlig unmöglich. Eine absurde Vorstellung. Ich dachte, es läge am Stress, als ich meine Periode nicht bekam. An meinem völlig veränderten, seltsamen Leben. Aber ich bin wirklich schwanger. Ich habe eine Ultraschalluntersuchung hinter mir.“
„Mel! Wie ist das denn möglich?“
„Frag mich nicht. Es sind schon eigenartige Dinge geschehen. Aber hier kommt so etwas scheinbar öfter vor. Ich bin umgeben von Frauen, die nicht schwanger werden konnten, und dann auf einmal – voilä! Es gibt da so ein Gerücht, dass es an diesem Wasser hier liegt … Ich glaube, ich sollte mal meinen Frauenarzt in L. A. anrufen und ihm von der Gegend hier erzählen.“
„Was hast du jetzt vor?“
„Ich werde Jack heiraten.“
„Mel – liebst du ihn?“, fragte Joey vorsichtig, mit gedämpfter Stimme.
Mel atmete tief durch und versuchte, ihre Stimme zu beruhigen, denn ihr war klar, dass sie zittrig und vielleicht zu überschwänglich klingen würde. „Das tue ich“, sagte sie dann. „Joey, ich liebe ihn so sehr, dass es mir schon beinahe wehtut. Ich hätte nie geglaubt, dass man so sehr lieben kann. Und auch das habe ich mir eine Zeit lang nicht eingestehen wollen.“
„Mel“, sagte Joey und fing dann an zu weinen. „Oh, meine süße Kleine.“
„Ich habe mich gegenüber Mark schuldig gefühlt, so, als würde ich etwas Falsches tun. Ich war so besessen davon, dass ich meine einzig wahre Liebe verloren hatte und in meinem ganzen Leben nie wieder etwas empfinden könnte, das dem auch nur annähernd nahe kommt. Die Möglichkeit, dass ein anderer Mann als Mark in mir sogar noch stärkere Gefühle auslösen könnte, habe ich überhaupt nicht in Betracht gezogen. Eine Zeit lang habe ich es tatsächlich als Betrug an Mark empfunden. Jack hat mich sogar dabei überrascht, wie ich vor Marks Foto geheult und mich bei ihm entschuldigt habe. Ich hatte ihm gesagt, dass ich nie im Leben mit so etwas gerechnet hätte, und ich versprach ihm, ihn nie zu vergessen. Mein Gott, es war eine schreckliche Situation.“
„Kleines, du hast doch nichts Falsches getan. Du hast so viel durchgemacht.“
„Nun, wenn ich in Ruhe darüber nachdenke, gebe ich dir recht. Jack wusste ja von meinen Problemen, er hielt einfach durch und fuhr fort, mich zu lieben. Und so, wie er mich liebt, stellt er meine Bedürfnisse den seinen immer voran. Und er hat mir versprochen, dass ich bei ihm sicher bin, dass ich ihm vertrauen kann.“ Und diesmal stiegen ihr vor lauter Glück Tränen in die Augen. „Gott, er ist so wundervoll. Joey“, flüsterte sie, „er will das Baby genauso sehr wie ich.“
„Das ist einfach unglaublich. Wann genau werdet ihr heiraten? Wir werden dabei sein.“
„Wir hatten noch nicht einmal Gelegenheit, über einen Termin zu reden. Ich habe es ihm gestern erst gesagt, und in der Nacht hat er mich dann gefragt, ob ich seine Frau werden möchte. Ich sage dir Bescheid, sobald ich es weiß.“
„Aber bedeutet das jetzt auch, dass du in Virgin River bleiben wirst?“
Mel lachte. „Du hattest recht, weißt du. Hier herzukommen war völlig verrückt. Es war unvernünftig. Sich vorzustellen, dass ich an einen Ort gehe, wo es kein Einkaufszentrum gibt, von einem Schönheitssalon ganz zu schweigen, und mit nur einem Mini-Restaurant, das nicht einmal über eine Speisekarte verfügt …? Ich bitte dich! Keine fortschrittliche Medizintechnik, keine Ambulanz, keine Polizei im Ort – wie konnte ich nur auf den Gedanken kommen, hier würde es leichter sein und weniger Stress geben? Auf dem Weg hierher bin
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