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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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krallte. »Es ist völlig ausgeschlossen, dass wir ihnen über den Weg laufen.«
    »Entschuldige«, flüsterte ich. Seit Anton und Lily sich zusammengetan hatten, war ich nur zweimal in London gewesen – dies war das dritte Mal –, und in ihrer Stadt zu sein, machte jedes Mal Wackelpudding aus mir. Während ich mich einerseits davor fürchtete, plötzlich vor ihnen zu stehen, hatte ich gleichzeitig ein grauenhaftes, voyeuristisches Bedürfnis, sie zu sehen.
    Als wir am Leicester Square aus der U-Bahn stiegen und Cody mich nach Soho führte, zitterte ich am ganzen Leib – irgendwo hier hatte Anton sein Büro, aber Cody verriet mir nicht, in welcher Straße. »Du lauerst ihm nicht auf!«, schimpfte er. »Vergiss nicht, warum du hier bist.«
     
    Jojo Harvey musste man gesehen haben. Sie war fast drei Meter groß, hatte einen sinnlichen Mund, dunkel bewimperte Augen und kastanienrotes, gewelltes Haar, das ihr auf die Schultern fiel. In einem Film würde ein Saxophon bei ihren Auftritten klagende, werbende Töne spielen. Sie war bezaubernd. Aber nicht dünn. Eher üppig.
    Cody sagte, er würde an der Rezeption warten, also ging sie mit mir durch einen Flur in ihr Büro. Auf ihrem Regal standen viele Bücher, und als ich das blöde Mimis Medizin sah, tobten in mir Sehnsucht und Hass und ungefähr sechzig andere Gefühle. Ich will das auch. Jojo wedelte mit einem unordentlichen Haufen Papier. »Ihr Skript. Wir haben uns köstlich amüsiert. Ernsthaft, es war toll.«
    »Oh, gut.«
    »Die Sache mit dem Apotheker. Und Dad, der sich Koteletten wachsen lässt. Fantastisch!«
    »Danke.«
    »Welches Genre schwebt Ihnen vor? Tatsachenroman oder Fiktion?«
    »Auf keinen Fall Tatsachen.« Ich war entsetzt.
    »Dann also Fiktion.«
    »Aber das geht nicht«, sagte ich. »Es handelt ja von meiner Mam und meinem Dad.«
    »Und das von Helmut? Oder von der Frau – Colette? – als sie in Unterwäsche um die Hosenpresse tanzt? Das fand ich echt stark.«
    »Na ja gut, das war erfunden. Aber die eigentliche Geschichte, die, in der mein Vater meine Mutter verlässt, die ist wahr.«
    »Vielleicht finden Sie mich hartherzig«, sagte sie und schwang die Füße auf den Schreibtisch – hübsche Stiefel, fiel mir auf –, »aber es ist die älteste Geschichte überhaupt, die von dem Mann, der seine Frau verlässt und sich ein jüngeres Modell nimmt.« Sie lächelte breit und sagte: »Wer könnte Ihnen etwas anhaben, weil Sie die Handlung gestohlen haben?«
    Sie hatte leicht reden.
    »Sie können die Einzelheiten verändern.«
    »Wie?«
    »Der Vater könnte in einer anderen Branche arbeiten – obwohl, das mit der Schokolade gefällt mir gut –, und die Mutter könnte anders gezeichnet sein.«
    »Wie?«
    »Da gibt es viele Möglichkeiten. Sehen Sie sich die verschiedenen Mütter an, dann sehen Sie, wie unterschiedlich sie sind.«
    »Trotzdem wüsste jeder, dass es meine Eltern sind.«
    »Man sagt, dass erste Romane immer autobiografisch sind.«
    Ich wollte, dass sie weitersprach, dass sie mich überzeugte und überredete, ich wollte weiterhin Einwände erheben, damit sie sie abschmettern würde. Es gefiel mir, dass sie mich wollte, und ich wäre gern viele Stunden geblieben.
    Aber dann schwang sie ihre langen Beine vom Tisch, stand auf und reichte mir die Hand.
    »Gemma, ich werde Sie nicht zu etwas überreden, was Sie nicht tun möchten.«
    »Oh! Also …«
    »Es tut mir Leid, wir haben beide unsere Zeit verschwendet.«
    Das saß. Aber es stimmte ja, sie war wichtig und beschäftigt. Dennoch hatte es mir gefallen, umworben und umschmeichelt zu werden, nur, jetzt mochte ich sie nicht mehr so sehr.
    Als sie mit mir den Flur zurück zu Cody ging, sehe ich plötzlich diesen wahnsinnig attraktiven Mann, tolle lange Arme und Beine, toller Anzug. Haare so schwarz und glänzend wie Rabenflügel, Augen so blau wie ein Blaulicht. (Ein heikler Vergleich, wie ich selbst fand.)
    Er nickte mir zu und sagte: »Bist du lange weg, Jojo?«
    »Nein, bin sofort wieder da.«
    »Das ist Jim Sweetman«, sagte sie, »Leiter unserer Medienabteilung.«
     
    In der U-Bahn nach Heathrow war Cody richtig verärgert, und ich war extrem niedergeschlagen. Eine Agentin, eine Literaturagentin, hatte sich für etwas, was ich geschrieben hatte, interessiert  – ein Ereignis, das seltener war als eine Sonnenfinsternis. Und jetzt war es vorbei. Ich seufzte. Ich war überzeugt, Jojo hatte eine Affäre mit dem attraktiven Jim Sweetman.
    Die Sache ließ mich nicht mehr

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