Neue Schuhe zum Dessert
los. Ich hatte einen kostbaren Krankentag verschwendet, und es sollte noch schlimmer kommen. Am Flughafen wollte ich mir ein paar Zeitschriften kaufen, um mich von mir selbst abzulenken, und da sah ich es aus einer Entfernung von zwei Metern. Als meine Kopfhaut anfing zu jucken, wusste ich, dass etwas Schreckliches passiert war. Noch bevor mein Verstand den Wörtern auf der Zeitung eine Bedeutung entnehmen konnte, war die Angst da. Ich sah ein Foto von Lily – auf der Titelseite des Evening Standard . Und darunter in dicken, schwarzen Lettern:
Die unbekannte Londonerin, die die literarische Welt im Sturm erobert hat.
Die Geschichte stand auf Seite neun. Ich nahm die Zeitung, blätterte raschelnd bis Seite neun, bis ich zu einem Foto von Lily kam, das nur eine viertel Seite einnahm und sie in ihrem prächtigen Haus (um fair zu sein, man konnte nur die Ecke des Sofas sehen) mit ihrem prächtigen Mann zeigte, im Gespräch über ihr prächtiges (mistiges) Bestsellerbuch. So weh es auch tut, sie sah großartig aus, ganz zart und ätherisch und gar nicht kahl. Geschickte Retuschearbeit, vermutete ich.
Anton sah hinreißend aus, viel schöner als sie, besonders, da sein Haar sein eigenes war und nicht ein Haarteil im Burt-Reynolds-Stil. Ich war schockiert angesichts der Ähnlichkeit – er sah aus wie mein Anton – und verdutzt angesichts der Unterschiede: Sein Haar war länger, und sein Hemd war frisch gebügelt und reine Baumwolle, ganz anders als damals, als seine Sachen immer so aussahen, als hätten sie gerade einen Knautschtest hinter sich. (Das hatte seinen Charme nicht erhöht, so schlimm bin ich nun doch nicht.)
Ich blickte auf das Foto und ließ seine lachenden Augen direkt in meine gucken. Er lächelt mir zu . Hör auf! Du hast sie wohl nicht alle. Demnächst glaubst du noch, er spricht mit dir in verschlüsselten Zeichen.
Während andere Reisende sich um mich drängten und Cody mir über die Schulter sah, überflog ich die Geschichte von Lily Wrights Aufstieg zum Bestsellerstar und befürchtete schon, ich würde mich öffentlich übergeben müssen.
Ich attackierte Cody. »Du hast doch gesagt, dass sich nicht alle um sie reißen würden.«
»So war es ja auch.« Er war wütend, weil er was verpasst hatte. »Du brauchst mich nicht so anzumachen. Du solltest sauer auf dich selbst sein.« Cody entschuldigte sich nie, er gab immer jemand anderem die Schuld. »Was für eine Gelegenheit du heute versiebt hast!« Er zeigte mit dem Kopf auf das lächelnde Bild in der Zeitung. »Sieh es dir an, das hättest du sein können.«
Ich kaufte die Zeitung nicht – unmöglich –, aber auf dem Flug zurück dachte ich die ganze Zeit an Anton. Es war das erste Mal seit zwei Jahren, dass ich ein Bild von ihm gesehen hatte, aber es hatte eine Wirkung auf mich, als hätten wir uns erst letzte Woche getrennt. Und ich war ganz in seiner Nähe gewesen. Vielleicht bin ich sogar an seinem Büro vorbeigegangen. Das musste eine Bedeutung haben.
8
Unversehens waren wir in den fünften Monat von Dads Abwesenheit gerutscht. Ein paar Tage lang konnte ich es vor mir selbst verbergen, weil ich so deprimiert war von lauter anderen Dingen, vor allem der Totgeburt meiner Autorenkarriere.
Jojo hatte Recht – es war wirklich die älteste Geschichte überhaupt, und jetzt, da ich das Buch nicht schreiben würde, entspann sich alles in meinem Kopf, besonders, da ich ständig um fünf Uhr früh aufwachte.
Ich könnte eine andere Arbeit haben – oder gar keine Arbeit: Ich könnte Hausfrau sein (ach, welches Glück!) und vielleicht zwei Kinder haben. Ich könnte mir zwei Schwestern zulegen, oder vielleicht einen Bruder und eine Schwester; ich spielte verschiedene Szenarien durch und entschied mich dann für eine ältere Schwester namens Monica. Eine nette, zupackende Person, die mir, als wir Teenager waren, ihre Sachen geliehen hatte, die aber in ihrem jetzigen Leben ein volles Programm hatte, mit einem großen soliden Haus und vier soliden Kindern, und sie lebte so weit weg (Belfast? Birmingham? Ich hatte mich noch nicht entschieden), dass sie praktisch keine Hilfe war. Ich verpasste mir auch einen kleinen Bruder, einen Charmeur, der Ben hieß und eine ganze Meute Mädchen im Schlepptau hatte. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, gab er Mam eine ganze Liste von Anweisungen: »Wenn es Mia ist, sag, ich bin weg; wenn es wieder Cara ist, dann sag ihr, es täte mir Leid, aber sie würde schon drüber wegkommen – in ein paar
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