Neue Schuhe zum Dessert
Doktor Bailey schreibt dich krank. Ich bezahle das.«
»Mam. Es geht nicht.« In mir stieg Panik hoch.
»Was kann denn so wichtig sein?«
»Davinia Westports Hochzeit nächsten Donnerstag.«
»Ja und?«, sagte sie.
Eines der gesellschaftlichen Ereignisse des Jahres, um genau zu sein. Das wichtigste, komplexeste, teuerste, nervenraubendste Projekt, an dem ich je gearbeitet habe und dessen Planung mich Monate gekostet hat, sowohl in meinen wachen Stunden wie auch in meinen Träumen.
Allein der Blumenschmuck bedeutete, dass fünftausend Tulpen aus Holland bestellt wurden und dass ein Florist mit seinen sechs Assistenten aus New York eingeflogen wurde. Die Torte sollte eine drei Meter sechzig hohe Nachbildung der Freiheitsstatue sein, aus Eis, und das hieß, dass sie erst in letzter Minute gemacht werden konnte. Ein Festzelt, in dem fünfhundert Gäste Platz finden konnten, musste am Montagabend auf einer Wiese in Kildare aufgebaut und bis Donnerstagmorgen in eine Märchenlandschaft aus Tausendundeiner Nacht verwandelt werden. Weil Davinia, die in jeder anderen Hinsicht ein entgegenkommendes, vernünftiges Wesen war, sich entschlossen hatte, im Januar in einem Zelt zu heiraten, musste ich ausreichend Heizgeräte beschaffen, damit wir nicht erfrieren würden. Neben allem anderen, was es zu bedenken gab.
Es war eine echte Auszeichnung, dass Davinia mich dazu ausersehen hatte, ihre Traumhochzeit auszurichten. Aber der Stress, unglaublich – die Köche könnten eine Nahrungsmittelvergiftung bekommen, die Floristen könnten eine Pollenallergie entwickeln, die Friseure könnten sich das Handgelenk brechen, das Zelt könnte von Jugendlichen zerstört werden, und ich hätte die Verantwortung dafür.
Aber davon konnte ich Mam nicht erzählen, denn alle Einzelheiten waren streng vertraulich, und ihr fiel es noch schwerer als mir, ein Geheimnis zu bewahren – die halbe Nachbarschaft wusste von dem Tiramisu-Schokoriegel.
»Aber wenn du zur Arbeit gehst, was wird dann aus mir?«
»Vielleicht könnten wir eine der Nachbarinnen bitten, zu dir zu kommen.«
Schweigen.
»Meinst du, das ginge? Denn, weißt du, ich habe eine Stelle, ich werde dafür bezahlt, dass ich da bin, und ich habe jetzt schon zwei Tage freigenommen.«
»Welche Nachbarn?«
»Ehhmm …«
Vor kurzem hatte eine Umstrukturierung der Nachbarschaft stattgefunden. Vorher waren alle Nachbarn in Mams Alter oder älter und hießen Mary, Maura, May, Maria, Moira, Mary, Maree, Mary, Mary und Mary. Außer Mrs Prior, die Lotte hieß, aber das lag daran, dass sie Holländerin war. Alle Frauen besuchten sich gegenseitig, verteilten Umschläge für Geldspenden oder wollten sich eine Flusenrolle ausleihen oder … oder … na, solche Sachen eben.
Aber in letzter Zeit waren drei oder vier von den Marys weggezogen: Mary und Mr Webb hatten ihr Haus verkauft und waren in eine Seniorenwohnanlage am Meer gezogen, »jetzt, da die Kinder groß sind«, Mr Sparrow war gestorben, und Mrs Sparrow, eine gute Freundin von Mam, war zu ihrer Schwester nach Wales gezogen. Und die anderen beiden Marys? Ich erinnere mich nicht, denn ich muss zugeben, dass ich nicht immer so aufmerksam zugehört habe, wie ich es vielleicht hätte tun sollen. Ach ja, Mary und Mr Griffin waren nach Spanien gezogen, weil Mary Griffin schwere Arthritis hat. Und die vierte Mary? Es wird mir wieder einfallen.
»Mrs Parsons«, schlug ich vor, »die ist nett. Oder Mrs Kelly.«
Keine so gute Idee, fiel mir ein. Die Beziehungen waren angespannt – natürlich höflich, aber angespannt –, seit Mrs Parsons Mrs Kelly statt Mam gebeten hatte, zu Celia Parsons’ einundzwanzigstem Geburtstag einen Kuchen zu backen, wo doch alle in der Straße wussten, dass Mam für die Kuchen zum einundzwanzigsten Geburtstag zuständig war – sie machte sie in Form eines Schlüssels. (Das spielte sich vor gut acht Jahren ab. Die nachbarlichen Zwiste lebendig zu erhalten, gehört hier zu den Hobbys.)
»Mrs Kelly«, sagte ich noch einmal. »Sie konnte nichts dafür, dass Mrs Parson sie gebeten hatte, den Kuchen zu machen.«
»Sie musste ihn ja nicht machen. Sie hätte nein sagen können.«
Ich seufzte. Wir hatten das tausendmal durchgesprochen. »Celia Parsons wollte keinen Schlüssel, sie wollte eine Sektflasche.«
»Dodie Parsons hätte wenigstens fragen können, ob ich das kann.«
»Ja, aber sie wusste, dass Mrs Kelly das Handbuch für Kuchendekorationen hatte.«
»Ich brauche kein Buch. Ich kann so etwas ohne
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