Neue Schuhe zum Dessert
Mitte vierzig, bärtig und ungestüm, und Cam war ein hellhäutiger Kelte mit hellblauen Augen, mittelbraunem Haar und einer ausgeprägten Neigung zu spitzen Bemerkungen.
An einem Freitag versuchte Jojo, sie nach der Besprechung aufzuhalten. »Hallo, Nicholas, ich …«
»London ist mir verhasst«, meckerte Nicholas. »Dieser Verkehr …«
»… und diese Engländer«, sagten er und Cam wie aus einem Munde.
»Komm schon, Cam, lass uns hier abhauen.«
»Ja, aber …«, sagte Jojo und wollte sie unbedingt festhalten.
Nicholas sah sie mit wütendem Blick an, und Cam musterte sie kritisch mit hellblauen Augen. »Wir müssen zum Flughafen.«
»Ja, natürlich, Entschuldigung … guten Flug.«
Bevor sie das nächste Mal nach London kamen, schlug Jojo per E-Mail vor, dass sie sich zum Lunch treffen sollten – keine Chance. Wenn es keine zwingenden Gründe dagegen gab, sagte Nicholas, wollten sie den Shuttle-Flug um 15.30 Uhr zurück nach Edinburgh nehmen. Offensichtlich zählte Jojo nicht zu den zwingenden Gründen.
Verdammt, dachte sie. Diese beiden konnte man ebenso gut festhalten wie Quecksilber, und sie sah nur noch eine Möglichkeit. Es war vielleicht ein bisschen extrem, aber anscheinend bestand die einzige Chance, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, darin, dass sie nach Edinburgh reiste.
Eigentlich kein großes Problem. Sie hatte gehört, dass Edinburgh sehr schön sei, und vielleicht hätte Mark auch einen Grund, dorthin zu reisen …
Aber es war nicht leicht, einen Zeitpunkt zu finden. Im September fuhr Cam für drei Wochen in die Ferien, im Oktober musste Jojo zur Buchmesse nach Frankfurt, und anschließend war Nicholas für zwei Wochen im Urlaub. Sie einigten sich schließlich auf ein Treffen Ende Oktober. Jojo wollte es nicht so lange aufschieben, aber vielleicht war ein später Termin gar nicht so schlecht. Die Begegnung wäre noch frisch, wenn die Abstimmung da war.
Am Freitagmorgen flog sie zu einer unangenehm frühen Stunde mit Mark nach Edinburgh; ihr Treffen mit den beiden war am Vormittag, Mark hatte einen Termin mit ihnen am Nachmittag, danach … ein freies Wochenende in einem netten Hotel. Wunderbar!
Im Flugzeug fragte sie Mark: »Irgendwelche Tipps?«
»Das Wichtigste ist, dass du sie nicht mit Überheblichkeit behandelst. Sie sind ein bisschen … sagen wir … empfindlich, was ihren Außenpostenstatus angeht. Besonders auch deshalb, weil sie unglaublich viel leisten. In Schottland scheint es eine ungewöhnlich hohe Zahl von gut verkäuflichen Autoren zu geben. Behandle sie also mit RESPEKT.«
»Habe verstanden.«
Mark ging ins Hotel zum Einchecken, und Jojo nahm ein Taxi zum Büro von Lipman Haigh in Edinburgh, das sich in einem vierstöckigen Haus aus grauem Stein in einer halbmondförmig geschwungenen Straße mit ziemlich alten Häusern befand. Jojo war entzückt. Nicholas und Cam begrüßten sie höflich, jedoch nicht überschwänglich. Aber sie strahlte. Sie war so glücklich, hier zu sein, es war alles so ehrwürdig!
Sie wurde den anderen Mitarbeitern vorgestellt und durch die Büroräume, den Minitagungsraum und sogar in die winzige Küche geführt. »Hier machen Nicholas und ich uns unsere Fertignudeln in der Mikrowelle warm.«
»Genau«, sagte Nicholas mit tiefer Stimme, »unsere nouvelle cuisine.«
Jojo wusste nicht, ob sie lachen sollte. Besser nicht, dachte sie.
Als sie wieder in Nicholas’ Büro saßen, sagte er: »Aber Sie sind nicht hierher gekommen, um unsere Räumlichkeiten zu bewundern. Was können wir für Sie tun, Jojo?«
So zu tun, als wäre dies nur ein freundlicher Besuch, schien ihr unaufrichtig; sie legte lieber die Karten auf den Tisch.
»Sie haben etwas, was ich will.«
»Och, ich bin glücklich verheiratet«, sagte Nicholas.
»Und ich ein eingefleischter Junggeselle«, sagte Cam.
»Verdammt!«, sagte Jojo und schnipste mit den Fingern. »Dann wird daraus nichts!«
»Außerdem«, sagte Nicholas gedehnt, »ein kleines Vögelein hat mir ins Ohr geflüstert, dass Sie es mit unserem geschäftsführenden Partner treiben.«
Jojo wurde rot. Damit hatte sie nicht gerechnet. Hieß das, dass alle Partner Bescheid wussten? »Welches kleine Vögelein? Soll ich raten?«
»Der picklige Junge, Richie Gant.«
Sie zuckte die Achseln und versuchte, ihre Empörung nicht zu zeigen. »Was soll ich sagen?«
»Und der gleiche Mark Avery kommt uns später besuchen«, sagte Nicholas in gespielter Überraschung zu Cam. »Wenn das kein Zufall ist, was,
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