Neue Schuhe zum Dessert
mir hatte, entschied sie gegen die Regeln, dass ich das Geld nicht einbüßen würde, sondern eine andere Reise buchen könnte, »wenn es Ihnen besser geht. Und ich weiß, dass Sie jetzt denken, das wird nie eintreten.« Das sagte sie, bevor ich es sagen konnte. »Aber Sie werden sich wundern.«
Man konnte sich nicht mit mir sehen lassen. Ich weinte die ganze Zeit. Ich tat es absichtlich. Ich lieh mir sentimentale Videos aus, bei denen man ein Herz aus Stein haben musste, wenn man nicht weinen wollte. Wenn ich abends ausging, nagelte ich immer jemanden fest und schüttete ihm mein Herz aus. Bei der Weihnachtsparty in unserer Firma (wir mussten unsere Weihnachtsfeier im Januar halten, weil wir im Dezember alle Hände voll zu tun hatten, um die Weihnachtsfeiern aller anderen zu organisieren) war ich diejenige, die sich betrank, weinend zusammenbrach und nach Hause gebracht werden musste. Es muss immer so jemanden geben.
Selbst die Arbeit trieb mir die Tränen in die Augen. Ich arbeitete an einem sehr ungewöhnlichen Auftrag – Max O’Neill, ein junger Mann von nur achtundzwanzig Jahren, war todkrank und hatte mich beauftragt, seine Trauerfeier zu organisieren. Anfangs hatte ich mich gerührt und geschmeichelt gefühlt, dass er mich gewählt hatte. (F&F hingegen waren nicht besonders geschmeichelt. Frances hatte gebrummelt: »Es sieht ja wohl nicht so aus, als würden wir von dem Folgeaufträge bekommen.«) Jedes Mal, wenn ich bei ihm war und wir Videos machten, in denen er seinen Freunden sagte, sie sollten nicht um ihn trauern, und wir die Getränke für seine »Party« aussuchten, war ich am Schluss ein Wrack.
Mitten in dieser tränenreichen Zeit fuhr ich zu Johnny. Nach einer besonders herzzerreißenden Sitzung mit Max fuhr ich an der Apotheke vorbei und beschloss spontan, hineinzugehen und Trost zu suchen. Nachdem wir uns gegenseitig ein gutes Neues Jahr gewünscht hatten, fragte er: »Was darf ich Ihnen bringen?«
Ich hatte mir nichts überlegt. »Oh, ah … einen zuckerfreien Lutscher. Und – wie heißt das – eine Mullbinde. Ja, ich nehme die Packung.«
»Sind Sie sicher, dass Sie das brauchen, Gemma?«
»Nein. Nein, ich brauche das gar nicht. Nur den Lutscher.«
Nachdem ich versucht hatte zu bezahlen (er erlaubte es nicht und sagte: »Es ist doch nur ein Lutscher, lieber Gott.«), machte ich keine Anstalten zu gehen.
»Wie steht’s denn so?«, fragte er.
»Bestens«, sagte ich unglücklich. »Dad ist zurückgekommen. Wie geht es Ihrem Bruder?«
»Sehr gut, er fängt bald wieder an zu arbeiten, und dann wird mein Leben wieder normal. Ihr Buch müsste bald erscheinen, oder?«
»Im Mai. Aber an den Flughäfen kommt es schon eher in den Handel. Irgendwann im März.«
»Sie müssen das sehr aufregend finden.«
»Mmmm.«
»Ich freue mich schon, es zu lesen.«
»Ich gucke mal, dass ich ein Freiexemplar für Sie bekomme.« Meine Sorge, dass er etwas über sich selbst lesen würde, war geschwunden, von meiner Traurigkeit weggespült.
Schließlich fragte er – und ich hatte lange genug herumgestanden, um die Frage zu forcieren – »Und wie geht es Ihrem Nicht-Freund?«
»Ach, das ist vorbei. Er hat sich wieder mit seiner früheren Freundin versöhnt. Es war alles ganz freundschaftlich.«
Meine Augen füllten sich mit Tränen, zwar kein voller Weinanfall, aber dicht genug dran, dass Johnny mir ein Papiertaschentuch reichte. Er hatte ja genug davon in seinem Laden.
Später, als ich wieder zu Hause war, begriff ich, dass es die freundliche Geste des Taschentuchs war, die meine Wahnsinnsäußerung beförderte, denn ich trocknete mir die Augen und hörte mich sagen: »Vielleicht sollten wir uns mal auf einen Drink treffen.«
Ich neigte den Kopf und lauschte. Hatte ich das gesagt?
Dann sah ich sein Gesicht. Es sprach Bände. Er sah zutiefst beleidigt aus.
»O Gott, es tut mir Leid«, sagte ich und eilte davon. »Wirklich, es tut mir sehr Leid.«
Ich setzte mich ins Auto, in der Hand den Lutscher. Dad war wieder da, aber ich war noch wütender als je zuvor.
Ich hatte keine Ahnung, dass das Leben bald eine wichtige Wendung nehmen würde.
Es fing mit einem Anruf von Jojo an.
»Ich habe wunderbare Nachrichten«, sagte sie. »Ich hatte einen Anruf von einer Produktionsfirma, die Eye-Kon heißt, sie wollen Jagd auf Regenbogen für einen Fernsehspielfilm optieren. Sie sind wild entschlossen, haben aber kein Geld. Aber es ist die Rede von einer Koproduktion mit der BBC. Anton
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