Neue Schuhe zum Dessert
schrill. »Hier ist es heute wie bei Jerry Maguire .« Bei ihrem letzten Telefongespräch hatte sie den Eindruck erweckt, dass es eine tolle Sache sei, sich selbstständig zu machen, aber jetzt hörte ich, sie war in Panik. Anscheinend musste sie gehen und versuchte ein paar Klienten zu behalten, damit sie neu anfangen konnte.
In einem schockierend kurzen Moment wurde mir alles sonnenklar, und ich konnte kaum glauben, welche Chance mir gerade in den Schoß gefallen war: Jojo brauchte Klienten – ich könnte ihr ja sagen, ich würde nur mit ihr gehen, wenn sie Lily nicht mitnähme. Für Jojo war ich viel wertvoller als Lily, denn Lilys Schriftstellerlaufbahn befand sich im freien Fall, während meine gerade erst anfing.
Ohne Agentin wäre Lilys Karriere vorbei. Ich konnte es dazu bringen. Und Anton brauchte mein Buch – was wäre er bereit zu opfern, um seine Karriere zu retten? Anton war extrem ehrgeizig, oder zumindest war er es vor dreieinhalb Jahren gewesen. Selbst in meinen wildesten Rachefantasien hatte ich mir so etwas nie ausgedacht – das hier war größer, besser und vor allem wirklich.
Eine frische Welle trug mich empor. Wie kam es, dass alles plötzlich so glatt lief? Ich hatte die Chance, mein Leben neu zu gestalten und drei Jahre der Demütigung zu beenden und ganz nach oben zu kommen.
Ich erkannte, welche Macht in meiner Hand lag, und das machte mich schwindelig. Ich fragte mich, ob Lily das auch sah.
Ich musste nach London fahren. Es war Zeit, Anton wiederzusehen.
Lily
Gemma hatte es auf mich abgesehen. Ich gebe zu, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt etwas paranoid war, was Gemma anging; das lag an meinen Schuldgefühlen. Aber das, was jetzt kam, bildete ich mir nicht ein.
Anton arbeitete an seinem Plan, für ihr Buch zu optieren. Sie hatten sich noch nicht getroffen, aber das war nur eine Frage der Zeit, und dann wäre für uns alles vorbei.
Allerdings reichte ihr das noch nicht, wie ich am Freitagnachmittag erfuhr, als Miranda England mich anrief.
»Lily«, sagte Miranda. »Ich habe über die Jojo-Sache nachgedacht. Findest du es nicht beunruhigend, dass sie keine Auslands- und keine Medienabteilung hat? Dieser Schleimer Gant hat mich gerade angerufen …«
»Welche Jojo-Sache?«
Miranda quiekte vor Erstaunen. »Du hast nicht davon gehört? Jojo geht weg. Sie macht sich selbstständig.«
Ich hatte nichts davon gehört.
»Sie setzt sich mit allen ihren Autoren in Verbindung und will sie mitnehmen.«
Hieß das, dass sie mich nicht mitnehmen wollte? Vor Panik konnte ich kaum atmen.
»Wen nimmt sie noch mit?«
»Eamonn Farrell, Marjorie Franks, diesen Verrückten Nathan Frey …« So viele Autoren, und mich nicht. Ich war nicht dumm. Ich wusste, was das bedeutete. Dann sagte Miranda das, worauf ich gewartet hatte: »… und diese neue Autorin, Gemma Hogan.«
Mir brach der Schweiß aus. Jetzt begriff ich, warum Jojo mich nicht angerufen hatte. Ganz offensichtlich hatte Gemma gesagt, sie würde nicht mir ihr gehen, wenn Jojo mich als Klientin behielte. Ohne Agentin würde die kleine Glut, die von meiner Karriere noch übrig war, verlöschen. Keine andere Agentin würde mich nehmen. Ohne Jojo war ich am Ende.
Gemma
Ich nahm den Flug um 6.35 Uhr von Dublin und fuhr von Heathrow direkt zu Lipman Haigh. Ich trug mein neues schwarzes Kostüm. Von Donna Karan. Nein, Prada. Jedenfalls sah ich darin todschick und schlank aus. Ich hatte es im Ausverkauf erstaunlich günstig bekommen.
»Jojo – Sie und Ihre neue Agentur? Ich mache mit.«
»Großartig. Sie werden es nicht bereuen.«
Aber bevor ich einschlug, um den Deal zu besiegeln, sagte ich: »Nur noch eins.«
»Ja?«
»Lily Wright.«
»Lily Wright?«
»Ich möchte nicht, dass Sie sie mitnehmen.«
Jojo sah mich betroffen an. »Lily Wright ist in einer sehr schwachen Position. Wenn ich sie bei Lipman Haigh lasse, wird niemand sich ihrer annehmen wollen. Es wäre das Ende ihrer Schriftstellerlaufbahn.«
Ich zuckte die Achseln. »Das ist meine Bedingung.«
Jojo betrachtete mich eine Weile. Ich sah, dass sie beeindruckt war. Sie nickte langsam. »Gut. Dann ohne Lily.«
»Ausgezeichnet.« Ich schüttelte ihr die Hand. »Freut mich, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«
Im Aufzug ballte ich die Hand zur Faust. Der Erfolg war in greifbarer Nähe. Die Rache war mein. Mein, sagte ich. Mein! Mein!
Das Büro von Eye-Kon war nur drei Straßen weiter, aber auf dem Weg kam ich an einem Schuhgeschäft vorbei und kaufte zwei Paar Stiefel im
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