Neue Schuhe zum Dessert
Mir war es lieber, man fiel über mich her.
»Wen kümmert es, was die Kritiker sagen?«, sagte ich fest. Mich, um ehrlich zu sein. Ich könnte lange Absätze aus bissigen Besprechungen zitieren, die das Buch bekommen hatte, seit der Verkauf durch Mundpropaganda in die Höhe geschossen war. Als es erschien und niemand erwartete, dass mehr als zweitausend Exemplare verkauft werden würden, hatte ich in der Irish Times , sozusagen als Trostpreis, eine fast positive Rezension bekommen. Aber der kommerzielle Erfolg wurde in den nationalen Zeitungen von hämischen Besprechungen begleitet. Der Independent beispielsweise nannte das Buch »Zuckerwatte für den Verstand« – sagte in dem Moment Martha.
»Ja«, erwiderte ich niedergeschlagen. Ich könnte weiter zitieren. Dieser Debütroman ist ein anmaßendes Nebenprodukt der derzeitigen Empfindsamkeitswelle. Es wird als »Fabel« bezeichnet und erzählt die Geschichte der weißen Hexe Mimi, die unerwartet in einem malerischen Dorf auftaucht, sich dort niederlässt und einige magische Mittel für die Neurosen der Bevölkerung bereithält.
»Und im Observer hieß es …«
»So süß, dass es die Zähne der Leser zerfrisst «, zitierte ich für sie. Ich hätte den ganzen Artikel aufsagen können, Absatz für Absatz. »Bitte«, sagte ich. »Ich habe das Buch nur geschrieben, um mich aufzuheitern. Ich hätte niemals gedacht, dass jemand es veröffentlichen würde. Wäre Anton nicht gewesen, wäre es nie an Jojo geschickt worden.«
Marthas Stift wurde wieder schneller.
»Und wie haben Sie Anton, Ihren Mann, kennen gelernt?«
»Wir sind nicht verheiratet.« Die Journalisten machten so viele Fehler, aber ich musste wenigstens versuchen, die Fakten richtig zu stellen. Ich hasste es, wenn ich Interviews über mich las, die voller Fehler waren, weil ich dachte, die Menschen könnten glauben, dass ich gelogen hatte. (Ich habe nie inhaliert. Ich habe in Vietnam gekämpft. Usw.)
»Wie haben Sie Ihren Verlobten kennen gelernt?«
»Meinen Partner«, sagte ich, falls sie mich fragen wollte, ob ich einen Ring hatte.
Martha warf mir einen bösen Blick zu. »Aber Sie haben vor zu heiraten?«
Ich sagte etwas Beruhigendes, aber in Wahrheit war es mir ganz unwichtig, ob wir heirateten oder nicht. Meine Eltern hingegen sind sehr von der Institution der Ehe überzeugt. So sehr sogar, dass sie es immer wieder damit versuchen. Mum war zweimal verheiratet, Dad dreimal. Ich habe so viele Halbgeschwister und Stiefgeschwister, dass ein Familientreffen bei uns aussehen würde wie eine der späteren Dallas -Episoden.
»Wo haben Sie Anton kennen gelernt?«, fragte Martha wieder.
Wie sollte ich darauf antworten? »Durch eine gemeinsame Bekannte.«
»Würde diese gemeinsame Bekannte gern genannt werden?« Sie funkelte mich an.
»Ehm, nein. Danke.« Ich glaube nicht.
»Oh. Wirklich nicht?«
»Nein, wirklich nicht.«
Marthas Aufmerksamkeit war geweckt, sie spürte, dass dahinter eine Geschichte steckte, und es war, als hätte ich Eis verschluckt. Ich hasste diese Interviews aus tiefster Seele. Ich stand ständig unter Strom, dass die Wahrheit über mich herauskommen würde, und wenn mein Leben weiterhin diesen Nachforschungen ausgesetzt wäre, dann würde sie auch herauskommen.
Aber sie bohrte nicht weiter. Wenigstens fürs Erste nicht.
»Und was macht Anton?«
Noch so eine gemeine Frage. »Er und sein Partner Mikey haben eine Medienproduktionsfirma, Eye-Kon. Sie haben Last Man Standing für Sky Digital gemacht. Eine Reality Game Show«, erklärte ich.
Aber sie hatte nie davon gehört. Sie nicht und sechzig Millionen andere Menschen auch nicht.
»Und zurzeit stehen sie in Verhandlungen mit der BBC und Channel Five über ein Feature.« (Ein Feature, das ein Fernsehfilm war, aber Feature klang besser.)
Doch Martha interessierte sich nicht so sehr für das Auf und Ab von Antons Karriere. Auch gut, ich hatte es versucht.
»Wunderbar. Ich glaube, ich habe eine Menge Material.« Sie klappte ihr Notizbuch zu und ging aufs Klo. Als sie aus dem Zimmer war, gingen mir die Dinge, die ich gesagt hatte und die ich nicht gesagt hatte, im Kopf herum, und ich überlegte, ob im Bad ein sauberes Handtuch war.
Ich begleitete sie nach unten zum Eingang, vorbei an Mad Paddys Wohnung im Erdgeschoss. Ich hoffte, dass er nicht herauskommen würde, aber natürlich machte er seine Tür auf. Es entging ihm nichts, er lechzte geradezu nach Unterhaltung. Aber wenigstens war er nicht in aggressiver Stimmung,
Weitere Kostenlose Bücher