Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
entziffern zu können.
    Ich führte sie ins Wohnzimmer, das Anton, der Gute, aufgeräumt hatte. Das heißt, er hatte Emas vierzig bis fünfzig Plüschtiere in eine Ecke verbannt und eine Dose Airspray mit Pfirsicharoma versprüht, um den Geruch von schimmelnder Wäsche zu verdecken.
    Martha ließ sich aufs Sofa fallen und schrie dann auf. »Himmel!« Wir blickten beide auf den Legostein, der sich schmerzhaft in Marthas Gesäß gedrückt hatte.
    »Entschuldigung, der ist von meiner Tochter …«
    Martha kritzelte wieder etwas in ihr Notizbuch.
    »Benutzen Sie keinen Kassettenrekorder?«, fragte ich.
    »Nein, so ist es viel intimer.« Sie fuhr lächelnd mit dem Stift durch die Luft. Ja, und so könnte sie mich bis zum Abwinken falsch zitieren, und keiner wüsste es.
    »Wo ist denn Ihre Kleine?« Sie sah sich im Zimmer um.
    »Auf dem Spielplatz, mit ihrem Dad.« Wo sie bleiben und sich so lange an der Schaukel festklammern würden, bis ich sie anrief und sagte, dass die Luft wieder rein war. Ich konnte sie nicht in diese Sache hineinziehen.
    Martha sagte ja zu Tee und nein zu Keksen, dann begann das Interview.
    »Also! Sie haben da ja einen ganz schönen Erfolg gelandet, nicht wahr? Mmm?« Ihre Augen waren wie kleine blaue Murmeln, ein bisschen gläsern und gierig. »Sie und Ihr Mimis Medizin. «
    So, wie sie es sagte, klang es, als hätte ich die verführbaren Leser mit einem Taschenspielertrick betrogen. Und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. So etwas wie: »Allerdings, das stimmt«? Klänge das arrogant? Andererseits, wenn ich die Schultern zuckte und sagte: »Ich habe ja nicht das Zeitreisen erfunden«, würde sie dann ihr Notizbuch zuklappen und wieder gehen?
    »Ich habe Ihre Biografie teilweise gelesen, aber Sie wissen bestimmt, dass ein Interview mit Martha Hope Jones sich von den Artikeln anderer Schreiber unterscheidet. Ich versuche, ohne Vorinformationen an die Sache heranzugehen und herauszufinden, wer Lily wirklich ist, damit ich sie von innen kennen lerne.«
    Sie machte dabei eine Grabebewegung mit der Hand, und ich nickte matt. Ich wollte wirklich nicht, dass sie mich von innen sah.
    »Sie sind noch nicht lange Autorin, Lily?«
    »Nein. Bis vor zwei Jahren habe ich in der Werbung gearbeitet.«
    »Wirklich?« Ihre übertriebene Überraschung war eine Beleidigung, obwohl ich natürlich wusste, dass ich nicht wie der typische Werbefuzzi aussah.
    Wer zackig und auf Draht war und anderen ihr Image aufbaute, sollte auch so aussehen, zackig und auf Draht, im Kostüm, mit perfekter Frisur und makellosem Make-up. Doch auch auf dem Höhepunkt meines bescheidenen Erfolgs in der Werbebranche kam ich manchmal mit losem Saum, und mein langes blondes Haar löste sich aus den Klammern und fiel mir mitten in einer wichtigen Sitzung in den Kaffee. (Deswegen hatte mein Vorgesetzter aufgehört, mich zu den Kennenlerntreffen mit Klienten einzuladen. Er belog sie und sagte, ich hätte einen Termin bei meinem Physiotherapeuten.)
    »In welchem Bereich?« Martha war neugierig. »Popentdeckungen? Seifenopernstars auf dem absteigenden Ast?«
    »Nein, nicht das Kaliber.« Und ich meinte das nicht als Scherz.
    Die Menschen stellen sich vor, dass PR darin besteht, talentlosen Schlagersängern, Schauspielern oder Models Publicity in Zeitungen zu verschaffen. Schön wär’s! Bei PR geht es auch darum, mittellosen Afrikanerinnen Milchpulver zu verkaufen, indem man ihnen weismacht, dass das für die Kinder besser ist als Muttermilch. Oder PR-Leute werden von Tabakkonzernen beauftragt, der Regierung zu erklären, dass es eine gute Sache ist, wenn möglichst viele Menschen rauchen, weil dann die Menschen an den Folgen des Rauchens sterben, bevor sie in das Alter kommen, wo sie Renten und Pflegedienste in Anspruch nehmen. Und ein talentierter PR-Mensch ist der, der die Bevölkerung einer Region davon überzeugen kann, dass es nicht schlimm ist, wenn ihr Grundwasser von einer Chemiefabrik verseucht wird, weil die Firma gleichzeitig Arbeitsplätze schafft.
    Werbung und Bestechung von Politikern können allerdings nicht alles bewerkstelligen. Und wenn der Druck stieg und das, was nicht zu verteidigen war, der Verteidigung bedurfte, sprang ich in die Bresche und schrieb die Pressemitteilungen. Meine Anteilnahme für die, die vor ihrer Stadt eine große Müllhalde bekommen sollten oder eine Autobahn durch ihre Gärten, war aufrichtig. Deswegen klangen meine Pressemitteilungen überzeugend; zu meiner Schande gestehe ich, dass ich

Weitere Kostenlose Bücher