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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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meine Arbeit wirklich gut machte, und ich sehnte mich unzählige Male nach ein paar Schlagersängern, deren Karrieren der Auffrischung bedurften.
    »Sie hatten also Ihre Arbeit als PR-Frau.« Marthas Stift flog über das Papier. »Wo war das?«
    »Anfangs in Dublin, dann in London.«
    »Warum waren Sie in Dublin?«
    »Meine Mum war nach Dublin gezogen, als ich zwölf war, und ich bin mit ihr gegangen.«
    »Und jetzt leben Sie wieder in England. Was war passiert?«
    »Es wurden Stellen eingespart. Mir wurde gekündigt.«
    Ich war selbst schuld. Ich hatte für zwei riesige Firmen so erfolgreich gearbeitet, dass sie das bekamen, was sie wollten, und es danach keinen Anlass für weitere Aufträge gab. Das fiel zusammen mit einem allgemeinen Rückgang in der Werbebranche in Irland, sodass ich keine neue Stelle fand. Um die Wahrheit zu sagen, ich war extrem erleichtert. Die Arbeit als PR-Frau hatte mich unendlich deprimiert.
    »Meine Mum war wieder nach England gegangen, und ich beschloss mitzugehen. Ich habe freiberuflich gearbeitet …« Ich brach ab.
    »Und dann wurden Sie überfallen«, gab Martha mir das Stichwort.
    »Und dann wurde ich überfallen.«
    »Meinen Sie, Sie könnten mir ein bisschen davon erzählen?«, fragte Martha und legte ihre Hand in einem Anflug von seifenopernhafter Anteilnahme auf meine.
    Ich nickte. Das war von Anfang klar. Wenn ich den wahrhaft dramatischen Teil meiner Geschichte nicht erzählen wollte, gäbe es auch kein Interview, und mit Sicherheit keinen doppelseitigen Bericht in Farbe in der viertgrößten Tageszeitung Großbritanniens.
    Ich erzählte die Geschichte schnell, ließ das meiste aus und kam rasch zum Ende, wo der Mann mich zu Boden warf und mit meiner Handtasche abhaute.
    »Sie hätten tot sein können.« Marthas Stift kratzte über das Blatt.
    »Uhm, na ja. Ich war bei Bewusstsein, ich konnte sogar nach Hause gehen.«
    »Ja, aber Sie hätten tot sein können«, beharrte Martha. »Er konnte das nicht wissen.«
    »Vielleicht.« Ich stimmte ihr zögernd zu.
    »Und obwohl die äußerlichen Verletzungen allmählich verheilten, blieben doch die seelischen Wunden.«
    Ich schluckte. »Ich war ziemlich durcheinander.«
    »Durcheinander! Sie standen unter Schock. Sie waren schwer traumatisiert! Oder?«
    Ich nickte gehorsam – und etwas erschöpft.
    »Posttraumatischer Stress«, schrieb Martha, so schnell sie konnte. »Sie konnten nicht zur Arbeit gehen.«
    »Ich war ja damals freiberuflich …«
    »Und Sie konnten das Haus nicht verlassen …«
    »Ja, ich kon…«
    »Sie haben sich nicht mehr gewaschen? Nicht mehr gegessen?«
    »Aber ich …«
    »Und Sie sahen einfach keinen Sinn darin weiterzumachen.«
    Pause. Ausatmen. »Manchmal. Aber geht es nicht jedem einmal s…«
    »Und in diese Dunkelheit und Einsamkeit trat plötzlich ein Lichtschimmer. Eine Vision, und Sie setzten sich hin und schrieben Mimis Medizin .«
    Wieder Pause. Dann gab ich mich geschlagen. »Also meinetwegen.« Sie brauchte mich gar nicht.
    »Dann haben Sie eine Agentin gefunden, die hat einen Verlag gefunden, und schon war es so weit – das Buch wurde über Nacht zum Erfolg!«
    »Nicht ganz. Ich hatte schon fünf Jahre davor angefangen, in meiner Freizeit zu schreiben, und ich hatte einen Roman geschrieben, den niemand verl…«
    »Wie oft ist Mimis Medizin inzwischen verkauft worden?«
    »Die neueste Zahl ist hundertfünfzigtausend. Zumindest sind so viele gedruckt worden.«
    »Beachtlich«, staunte Martha. »Fast eine Viertel Million.«
    »Nein, es …«
    »Mehr oder weniger.« Marthas Haifischlächeln duldete keinen Widerspruch. »Und Sie haben es in einem Monat geschrieben.«
    »In zwei Monaten.«
    »Zwei Monate?« Sie schien enttäuscht.
    »Aber das ist sehr schnell! Für meinen ersten Roman habe ich fünf Jahre gebraucht, und er ist immer noch nicht veröffentlicht.«
    »Und Sie haben schon eine kleine Fangemeinde, habe ich gehört. Stimmt es, dass einige Ihrer Fans Ihnen zu Ehren Lesekreise gebildet haben und sich ›Hexensabbat‹ nennen?«
    Na ja, eine Gruppe von komischen Heinis in Wiltshire, die keine Lust mehr darauf hatten, sich als Druiden zu gebärden, hatte das getan. Wahrscheinlich mussten sie dauernd die weißen Gewänder waschen. Aber ich nickte, ja, sie nannten sich Hexensabbat, das war richtig.
    Plötzlich änderte die »Lady in Red« ihre Stoßrichtung. »Aber die Kritik ist nicht immer freundlich mit Ihnen umgegangen, nicht wahr, Lily?« Da war wieder diese scheinheilige Anteilnahme.

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