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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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langsam.« Sie hatte irgendwas gemerkt.
    »Ich wünschte, ich hätte solche.« Das stimmte, aber nicht in dem Sinn, wie Nicky es verstanden hatte. Ihr aufflackernder Verdacht verflog, und es kam ihr nicht einen Moment in den Sinn, dass ich einer anderen den Mann ausspannen würde. Das war es ja gerade. Niemand hätte das je bei mir für möglich gehalten. Ich am allerwenigsten.
     
    Ich versuchte, mich von ihm fern zu halten. Weiß Gott, ich habe es versucht. Aber unsere Begegnung hatte meinen Schwerpunkt verschoben, und jede Wahlfreiheit war mir genommen. Bis dahin hatte ich das Gefühl, mein Leben verharre im Leerlauf. Doch plötzlich war Tempo reingekommen, als ob es ab in einen Tunnel sauste und ich mich nur mit Mühe festhalten könnte.
    Sechs Wochen hielten wir es aus, vierzig qualvolle Tage, an denen wir uns voneinander verabschiedeten und ehrenhafter Einsamkeit den Vorrang vor der Schuld des Zusammenseins gaben. Ich meinte jeden Abschied aufrichtig, aber über kurz oder lang war meine Sehnsucht so stark, dass ich zum Telefonhörer griff und ihn flüsternd bat, zu mir zu kommen.
    Mir schien, als hätte ich in dieser schrecklichen Zeit nicht geschlafen. Wir sprachen oft bis spät in die Nacht und erwogen das Für und Wider. Anton war viel pragmatischer als ich. »Ich liebe Gemma nicht.«
    »Ich aber.«
    Ich hatte andere Freunde vor ihm gehabt. Von meinem siebzehnten Lebensjahr an war ich die vorbildliche Monogamistin mit einander sich ablösenden Beziehungen. Viereinhalb Männer in dreizehn Jahren. (Der halbe war Aiden »Macker« MacMahon, der in den neun Monaten unserer Beziehung noch eine Zweitbeziehung unterhielt.) Ich hatte alle diese Männer wirklich geliebt, und mein Verhalten entsprach durchaus dem Üblichen, wenn eine dieser Beziehungen endete – ich weinte in der Öffentlichkeit, trank zu viel, nahm ab und beharrte darauf, dass ich nie wieder einen Mann kennen lernen würde –, aber Anton war anders.
    Das erste Mal, als wir miteinander schliefen, war unbeschreiblich. Ich spürte, wie die Gefühle von ihm zu mir, von mir zu ihm strömten, mein Atem ging langsamer, als wären wir unter Wasser, und wir verschmolzen miteinander. Es war weit mehr als Sex, fast wie eine mystische Erfahrung.
    Dreimal beschlossen wir, mutig zu sein, nach Dublin zu fahren und Gemma alles zu erzählen, und zweimal schaffte ich es nicht. Es war unmöglich. Eher war ich bereit, auf Anton zu verzichten, als Gemma diesen Schlag zuzufügen.
    »Was du auch tust«, sagte Anton niedergeschlagen. »Ich werde Gemma trotzdem nicht lieben.«
    »Das ist mir egal. Geh weg.«
    Aber nach ein paar Stunden zerbröselte meine Entschlossenheit, und schließlich war der Tag gekommen, an dem wir das Flugzeug bestiegen.
    Der Gedanke an das, was dann kam, ist zu schrecklich. Immer noch. Aber nie werde ich das vergessen, was Gemma am Schluss zu mir sagte: »Alles kommt wieder, und denk dran, so wie du ihn kennen gelernt hast, so wirst du ihn auch verlieren.«
    37
    Aber das liegt weit zurück. Das Telefon klingelte. Es war der Mann von der Bildredaktion beim Daily Echo , der den Auftrag hatte, Bilder zu Martha Hope Jones’ Interview mit mir zu machen. Er wollte Fotos von mir nach dem Überfall, als der Täter geglaubt hatte, ich sei tot, und weggelaufen war.
    »Er hat nicht geglaubt, ich sei tot.«
    »Tot, verletzt, was auch immer. Kann ich die Fotos haben?«
    »Nein, es tut mir Leid.«
    Kurz darauf klingelte das Telefon wieder. Diesmal war es Martha. »Lily, wir brauchen die Fotos.«
    »Aber ich habe gar keine.«
    »Warum nicht?«
    »Es gibt keine Fotos.«
    »Das macht es für uns ein bisschen schwierig.« Ihre Stimme klang schrill und vorwurfsvoll, dann legte sie auf.
    Zittrig und sprachlos starrte ich das Telefon an und rief dann Anton zu: »Was muss das für ein Irrer sein, der sich selbst fotografiert, nachdem er überfallen worden ist?«
     
    Obwohl die Gegend, in der wir wohnten, keine besonders feine Gegend ist, hatte ich niemals Angst gehabt, überfallen zu werden. Ich war eher linksliberal eingestellt und hatte Verständnis für Menschen, die andere überfielen, weil ich glaubte, sie täten es aus Verzweiflung. Ich war überzeugt, sie würden intuitiv merken, dass ich auf ihrer Seite war. Andererseits hätte mir klar sein können, dass ich das perfekte Opfer war. Wenn man Überfälle von sich abwenden wollte, musste man groß und aufrecht daherkommen und Selbstbewusstsein ausstrahlen. Handtaschen sollte man sich fest unter den Arm klemmen,

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