neue SF 1
Dröhnen einstürzender Häuser, die die Flammen höher und höher durch die leeren Korridore drückten.
»Sie wußten es«, sagte Jerry schließlich.
Als Michael nun das Wort ergriff, war seine Stimme wie das Klicken eines Revolvers, dessen nächste Kammer vor den Hammer rollte, wie ein Käfer, der seine Flügel anlegt.
»Du willst immer noch …«
»Morgen«, sagte Jerry. »Wenn das Feuer aus ist.«
Das Licht der Flammen spielte auf den Körpern und dem Unrat am anderen Ufer, verwandelte jedes Ding in etwas ganz Neues, in etwas Einzigartiges. Menschen standen am Ufer und starrten ins Wasser. Sie rührten sich nicht.
»Deine Frau und dein Sohn?«
Jerry nickte, und die Flammen spielten in seinem Haar. Mehrere Minuten vergingen. Trümmer begannen ins Wasser zu stürzen, stießen die Leichen und den Unrat vom Ufer fort. Sie begannen langsam über den Fluß zu treiben, auf die Klippe zu. Noch immer bewegte sich niemand. Die Menschen hatten keine Energie mehr. Sie standen reglos da, die Köpfe gesenkt, und starrten ins Wasser, auf die Trümmer, den Unrat, die Leichen, den Widerschein der Flammen. Schließlich brach Michael neben ihm das Schweigen, leise.
»Wir gehen zusammen. Mein Boot …«
Jerry unterbrach ihn, indem er wieder nickte, dann entfernte er sich von seinem Freund und ging durch die Tür auf die Veranda, wo er sich am Rande des Stahls niederließ. Michael wußte sicherlich, daß er ihm jetzt nicht folgen durfte.
Dort saß er dann die ganze Nacht und sah zu, wie die Stadt niederbrannte.
Ein Gespräch zwischen
J. G. Ballard und George MacBeth
Die Neue Science Fiction
MACBETH : Sie schreiben nun seit mehreren Jahren Science Fiction-Kurzgeschichten und -Romane, doch Ihre Story You and Me and the Continuum gehört zu einer neueren Gruppe, die sich der Struktur nach wirklich sehr von Ihren früheren Werken unterscheidet. Dem Leser von You and Me and the Continuum fällt zunächst vielleicht ganz besonders auf, daß sie nicht als fortlaufende Erzählung gestaltet ist, sondern als Folge kurzer Absätze, von denen jeder eine Überschrift trägt – tatsächlich sind sie sogar alphabetisch geordnet. Der Angelpunkt ist meiner Meinung nach jedoch diese Auflösung in Absätze. Warum haben Sie sich dieser Aufbautechnik zugewandt?
BALLARD : Ich war zunehmend unzufrieden mit den sogenannten linearen Erzählsystemen. Ich hatte in meinen Romanen und in den meisten meiner Kurzgeschichten eine konventionelle lineare Erzähltechnik angewandt, doch ich fand, daß die Handlungen und Ereignisse besonders der Romane beim Schreiben für mich in Teile zerfielen, daß sich die Charakterisierung, die Abfolge der Ereignisse zu einer Serie immer kürzer werdender Bilder und Situationen herauszukristallisieren begann. Das entspricht weitgehend der Ansicht, die ich über die Rolle der Science Fiction als einer spekulativen Form der erzählenden Literatur habe. Für mich ist Science Fiction vor allen Dingen eine vorausschauende Form der erzählenden Literatur; sie sieht die Gegenwart in Begriffen der nahen Zukunft und nicht der Vergangenheit.
MACBETH : Darf ich Sie hier unterbrechen? Würden Sie das bitte einmal dem gegenüberstellen, was der traditionelle Roman bewirkt, wenn er etwa mit der Geschichte einer Familie oder einer Person befaßt ist.
BALLARD : Genau, ja. Der weitaus größte Teil der erzählenden Literatur, die heute noch geschrieben wird, ist der Grundeinstellung nach retrospektiv, sie befaßt sich mit den Ursprüngen des Erlebens, Verhaltens, der Charakterentwicklung über große Zeitspannen hin; sie interpretiert die Gegenwart im Licht der Vergangenheit und wendet eine Erzähltechnik an – im großen und ganzen das lineare Erzählen –, durch die die Ereignisse in mehr oder weniger chronologischer Folge aufgezeichnet werden, was auch dazu paßt. Aber wenn Sie sich der Gegenwart zuwenden – und bei diesen Werken von mir habe ich eben das Gefühl, für mich selbst die Gegenwart wiederentdeckt zu haben –, dann, meine ich, braucht man eine nichtlineare Technik, weil auch unser Leben heute nicht linear verläuft. Es ist viel mehr quantifiziert, ein ganzer Strom zufälliger Ereignisse, die da des Weges kommen.
MACBETH : Ich möchte Ihnen an dieser Stelle eine Frage über die Figuren in Ihren Geschichten stellen. Natürlich haben Sie neben You and Me and the Continuum drei oder vier andere Stories geschrieben, die bereits in New Worlds, Impulse und sonstwo erschienen sind, und eine Eigenart aller scheint
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