neue SF 1
Erzählung bot, durch die die Hauptfigur ihre Identität entwickelte. Die meisten Filme jedoch werden noch immer nach linearen Gesichtspunkten gemacht, und ich meine, daß Maler – vielleicht weil ein Gemälde ein einzelnes Bild bietet – viel anregender sind; sie bekräftigen eher meine Vorstellungen.
MACBETH : Ja, es hat den Anschein, daß Ihre Vorstellungen im weitesten Sinne bei der Zeit und dem Fehlen von Zeit liegen, bei einer Stasis, die das Gefühl des Vergehens der Zeit umgibt. Dabei ergeben sich aber einige Schwierigkeiten. Meiner Meinung nach werden Sie gerade hierdurch zu der besonderen Art von Dichte gebracht, die ich schon erwähnte, und das führt auf eine Weise dazu, daß die Stories vielleicht eher wie Dichtungen wirken und nicht wie Prosa; sie haben Obertöne, Assoziationen, Resonanzen. Und ich glaube, daß die meisten Leser sie wahrscheinlich sehr schwierig finden.
BALLARD : Nun, ich halte das lediglich für die Trägheit der Konvention. Wenn jegliche retrospektive Literatur und der gewaltige Berg von Konventionen einmal beiseite getan würden, müßten sich die meisten Menschen, die zum Beispiel Burroughs’ Erzähltechnik nicht erfassen – etwa so, wie manche Eingeborenen nicht ihr eigenes Photo erkennen können – klar machen, daß Burroughs’ Erzähltechnik, auf ihre Weise angewandt, eine sofort erkennbare Reflektion der Art und Weise ist, wie das Leben selbst erlebt wird, daß wir nach quantifizierten nichtlinearen Begriffen leben – wir schalten das Fernsehen ein, schalten es eine halbe Stunde später wieder aus, führen ein Telefongespräch, lesen Magazine, träumen – und so weiter. Wir leben unser Leben nicht linear wie etwa die Viktorianer.
M ACBETH : Ich verstehe das, aber ich meine doch, die Sache ist etwas komplizierter – insofern, als der Leser diese Stories mit ganz anderem Tempo durchgehen muß; er muß innehalten, muß etwas noch einmal lesen, vielleicht braucht er auch gar nicht am Anfang zu beginnen und sich bis zum Ende durchzuarbeiten, er möchte vielleicht hin und her springen, um sich besser auf gewisse Schlüsselsektionen zu konzentrieren; er muß meiner Meinung nach fast ständig mit einer Anzahl von Lexika arbeiten, weil in Ihren späteren Stories Begriffe enthalten sind, die ich zumindest nicht sofort verstanden habe und die ich nachschlagen wollte. Interessanterweise veröffentlichen Sie dennoch in den Science-Fiction-Magazinen, deren Material der Struktur und dem Inhalt nach offensichtlich viel simpler ist. Ich frage mich, inwieweit das Publikum, das Sie erreichen, geeignet ist, diese Geschichten richtig zu verarbeiten. Machen Sie sich hierüber Sorgen?
BALLARD : Nein. Ich meine, daß die Science-Fiction-Leserschaft, wenn es so etwas überhaupt gibt, tatsächlich anspruchsvoller ist, als man sich das gemeinhin vorstellt, weitaus anspruchsvoller als etwa die Leser konventioneller Romane, und daß die Mittel, die ich anwende, gar nicht so unerhört sind, wie sie erscheinen; sie werfen die Elemente der Erzählung bei weitem nicht in dem Maße um, wie es beim ersten Blick auf die Seite den Anschein haben mag.
MACBETH : Ja, das sehe ich ein. Historisch gesprochen sehe ich auch, daß Ihre früheren Stories sich mit bestimmten ähnlichen Themen befassen, wenn auch weitaus weniger dicht und erregend. Das Thema von der Zeit zum Beispiel ergibt sich auch in einer Anzahl geradlinigerer Stories, zum Beispiel der Geschichte The Time Tombs, in der es wieder um Sand geht. Wie mir scheinen will, war der Wendepunkt eine andere Story, The Terminal Beach, die auf halben Wege zwischen ihren älteren Geschichten und ihren neuen zu liegen schien.
BALLARD : Ja, dort habe ich bewußt versucht, eine Erzählweise zu finden, durch die die Ereignisse der Story in der Weise quantifiziert wurden, daß sie vom Rest der Erzählung isoliert und dann aus einigen Blickrichtungen untersucht wurden.
MACBETH : Ich glaube, wir haben uns nun um wesentlichen über Stories wie You and Me and the Continuum, The Atrocity Exhibition; You, Coma, Marilyn Monroe und The Assassination Weapon unterhalten. Tatsächlich ist es mir beim Lesen manchmal vorgekommen, als könnte man Teile der einen Story in Teile der anderen versetzen. Es scheint sich irgendwie nicht um vier unabhängige Stories, sondern um die Fragmente einer Art Sequenz zu handeln. Sind Sie sich dieser Beziehung bewußt und beabsichtigen Sie vielleicht noch weitere Geschichten zu schreiben, so daß sie etwa, als Gruppe gesehen, sich in
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