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neue SF 1

neue SF 1

Titel: neue SF 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langdon Jones
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auf die Felder dahinter, die von Palmen begrenzt waren. Zur vollen Stunde begann eine Stimme die Nachrichten in Hindi zu verlesen. Fünf Minuten später wurden sie auf Englisch wiederholt.
    »Einheiten der russischen Armee dringen zur Zeit in der Tschechoslowakei vor. Es gibt keine Gegenwehr. Polnische, ostdeutsche, ungarische und bulgarische Truppen sind an der Aktion beteiligt. Schußwechsel werden gemeldet aus Prag und anderen großen Städten wie Brno und Bratislawa; in der eigentlichen Hauptstadt hat es nach den Meldungen zwanzig Tote gegeben, doch im wesentlichen vollzieht sich die Besetzung ohne Gegenwehr …«
    Gordana, ich bete, daß du noch deine Ferien an der dalmatinischen Küste genießt und nicht schon wieder in Prag bist, bitte sei noch nicht in Prag, sei nicht in Prag, bitte, sei nicht in Prag, halte dich von Prag fern, von unserem geliebten Land! Bleib unten in Jugoslawien! Wo du jetzt schwanger bist, darfst du nicht so schnell fahren. Weil ich weiß, daß du dir insgeheim ein Mädchen wünscht, hoffe ich auch, daß es ein Mädchen wird.
    Er öffnete seinen Koffer und starrte auf den Inhalt, sah nur die Falten der zusammengedrückten Kleidung, versuchte sie zu entziffern.
    »Noch immer gibt es keine Informationen über den Verbleib von Mr. Dubcek, der Schlüsselfigur des Liberalisierungsprogramms, das im Frühling begann …«
    Erst zwei Monate sind seit unserem Gespräch vergangen, Alexander Dubcek! Du wolltest, daß ich meine Experimente mit dem Film fortsetzte. Wo bist du nun? Ich glaube, sie brächten es fertig, dich zu erschießen. Und Swoboda. Sie brauchen eine Marionettenregierung. Ist es wirklich denkbar, daß sie ihn erschossen haben? Ist das alles wirklich wahr? Mein Wahnsinn, ein indischer Wahnsinn? Träume ich? Aber es ist wahr – und der Warschauer Pakt … der Kommunismus ist verraten. Es ist schlimmer als ein Traum!
    Er marschierte im Zimmer auf und ab, ging ins Schlafzimmer, trat auf den Balkon, sah sich ziellos um. Unter ihm lag die Veranda. Und am Geländer stand der stämmige blonde Mann aus dem Appartement im Erdgeschoß. Er wandte sich um und ging ins Haus, als Slansky ihn entdeckte. Ein Freund Bihari Das’. Engländer vielleicht. Amerikaner? Werden die Amerikaner etwas unternehmen? O Gordana, und wir haben Pläne, die noch gar nicht ausgesprochen sind. Nächsten Monat bist du neunundzwanzig, und die Liberalisierung machte Fortschritte. Das Leben war so schön.
    Die Sonne hatte ihr tyrannisches Tagesgeschäft mit der Gangesebene fast erledigt. In den nahen Bäumen kamen Tausende von Vögeln zusammen, schrien, kämpften und ließen ihre Ausscheidungen fallen. Menschen gingen durch die schattigen Straßen. Er konnte nicht bleiben, wo er war, konnte nicht bleiben.
    Unruhig ging er nach unten, kam an einem alten Mann vorbei, der nun am Empfang saß, und ging in den Hinterhof. Die Musik spielte, von Dissonanzen durchzogen. Er kümmerte sich nicht um die Leute, sondern ging durch einen Torbogen in den Garten, den er vom Balkon aus gesehen hatte.
    Der Garten war klein; in seinen Mauern hatte sich die Hitze des Tages gefangen. Es gab einen Brunnen, dessen Schwenkarm, unsicher an zwei Pfählen hängend, sich wie ein hölzerner Schnabel in den Brunnen neigte. In der weißen Außenmauer gähnte ein Tor, das mit einem Querbalken verriegelt war. Ein altes Bettgestell stand unter einem schiefen Schutzdach neben dem Tor. Eine brennende Laterne hing an einem der Balken, die das Strohdach stützten. Auf dem Bett saß ein alter Mann und las einem Kind vor. Das Kind war fast nackt; es lehnte elegant an der Bettkante und hörte geistesabwesend zu; der alte Mann las vor; sein altes, faltiges Gesicht hing dicht über der Seite.
    Ein wirklich großer Verrat, der alles vernichtet! Nicht die Narkose eines bloßen politischen Verrats, wie der anglo-französische Verrat 1938. Nein, dies ist ein persönlicher Verrat, fast wie zwischen Brüdern. Nur wenige Tage sind seit der Unterzeichnung der Vereinbarung von Bratislawa vergangen, die Schweinehunde! Und jetzt fallen sie uns an, jeden von uns, nicht nur die Liberalisierung, uns, uns, uns. In Osteuropa ist es aus mit dem privaten Leben, so wie in den kapitalistischen Ländern die finanzielle Manipulation das Privatleben abtötet. Ich muß zurück und Gordana finden! Oh, mein Liebling, halt dich aus allem heraus!
    Slansky stand in der zunehmenden Dunkelheit, und der alte Mann spürte seine Gegenwart. Er hörte auf zu lesen und blickte auf. Sein breites altes

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