neue SF 1
dir morgen die Flugkarte zukommen. Und jetzt, da du dich etwas entspannen kannst, möchte ich über den Film mit dir sprechen und die Langeweile der Politik vergessen. Sobald die Russen eurer Regierung geholfen haben, die subversiven Elemente im Lande zu vernichten, wird sich die Lage normalisieren, und dann können wir unseren gemeinsamen Film über die Lähmung der Zeit weiter planen.«
Widerstrebend sagte Slansky: »Das ist doch alles ganz anders, Sadal! Die subversiven Elemente in unserem Lande werden von der Sowjetunion nur vorgeschoben. Wir sind jahrelang durch Moskauer Ja-Sager regiert worden, die die Wirtschaft geschwächt und unsere Redefreiheit beschnitten haben. Sie werden nun von Dubcek und Swoboda ausgeschaltet, und die Nation steht hinter ihnen. Wir müssen unser eigener Herr sein. Nun versucht die Sowjetunion ihre alte Herrschaft wiederherzustellen, und wir müssen uns ihr auf jede mögliche Art entgegenstellen, ohne zu den Waffen zu greifen. Passiver Widerstand. Mahatma Gandhi hätte das sicher verstanden.«
»Gandhi ist schon lange tot! Sprechen wir lieber über unseren Film, Antonin, mein Lieber, da wir nur noch so wenig Zeit haben.« Er lehnte sich auf dem Sofa zurück und hob die Beine über die Seitenlehne. Er blickte verträumt zur Decke und sagte: »Die Tschechoslowakei bekommt immerhin Wirtschaftshilfe und Militärschutz von Rußland. Sie ist also kein völlig neutrales Land, wie Indien. Wie kannst du dich da beklagen?«
»Beklagen! Wenn der sogenannte Militärschutz darauf hinausläuft, daß auf dem Marktplatz jeder Stadt Panzer stehen, wenn die Strolche im Kreml wie Chicagoer Gangster unseren Dubcek entführen! Begreifst du nicht, welche Schläge da ausgeteilt werden, auch wenn wir Prag so fern sind?«
Bihari Das machte eine Handbewegung. »Fern von Prag verstehen wir das vielleicht besser. Es ist letztlich nur ein europäischer Machtkampf, nicht wahr, der mit den Anliegen der Kunst nicht gleichzusetzen ist.«
»Sadal – ich bitte dich! Mach mich nicht wütend! Selbst wenn es nur ein Machtkampf wäre, so sind doch Menschen davon betroffen, es geht um die Wahrheit , um die Kunst . Den sowjetischen Herrschern sind die Menschen egal, sie kennen die Wahrheit nicht, und die Kunst hassen und fürchten sie. Sie werden Kunst und Wahrheit in unserem Lande auslöschen, wenn sie die Gelegenheit dazu erhalten!«
Er preßte die Fingerspitzen gegen seine Stirn. Sag jetzt nicht, daß sich Kunst und Wahrheit niemals auslöschen lassen! So oft ist das schon geschehen. Allein seit meiner Jugend haben wir das in unserem Lande zweimal erleben müssen – durch Hitler und Stalin, und jetzt erhebt das schreckliche Gespenst seinen Kopf erneut. Es beeinflußt unser Leben. Es schläft nicht. Auch hier lauert es, Bihari Das, lauert in deiner dekadenten Haltung – du bist nie so weit von Prag entfernt, daß du den Kräften des Bösen entkommst. Gordana, alles andere kann sterben, nur du nicht und die Zukunft, die du in deinem süßen Bauche trägst. Die Wahrheit und alles andere mag sterben! Es ist bedeutungslos ohne das, was du mir verkörperst, wo immer du bist, wo du auch gerade bist. Oh, ich hätte dich mitnehmen sollen, hätte dich wegen deiner Furcht vor Flugzeugen auslachen sollen, meine Liebste – dein erstes Erscheinen, als wir damals an dem Eisenerzfilm arbeiteten, fünf Jahre ist das erst her. Das schreckliche Hotel in Brno. »Du mußt versuchen zu verstehen, daß ich zurückfliegen und um Dinge kämpfen werde, die du hier als Selbstverständlich ansiehst.«
Bihari Das machte eine abwertende Handbewegung.
»Unsinn, mein Lieber, du weißt, daß wir die Briten rausgeworfen haben – ja, natürlich, bevor ich geboren wurde! Aber wir sind heute nicht besser dran, und offen gestanden liegt meine Sympathie bei den Briten. Wir haben ihnen viele Schwierigkeiten gemacht. Es sind einfache und ordentliche Leute wie die Russen.«
»Die Russen sind Imperialisten, so wie die Briten früher. Sie haben sich gegenüber meinem Land soeben der nackten imperialistischen Aggression schuldig gemacht. Wer hat dir etwas anderes erzählt?«
Bihari Das richtete sich auf. »Komm, mein Lieber, red mir hier keine Propaganda, nachdem du eben so große Worte über die Kunst gemacht hast. Ich sympathisiere mit dir als Ehemann, aber dein Land bekommt doch eigentlich nur vorgesetzt, was es sich als unbequemer Satellitenstaat eingebrockt hat, und die Russen werden nun die Ordnung wiederherstellen. Ordnung ist wichtig, auch wenn
Weitere Kostenlose Bücher