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neue SF 1

neue SF 1

Titel: neue SF 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langdon Jones
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Gesicht war durch das Alter deformiert, die Wangen fast wie Blasen über den Knochen aufgedunsen, der weiße Bart strähnig und tief hinabreichend. Bedächtig markierte er die Seite des Buches, legte es fort und hob die Hände, grüßend die Fingerspitzen zusammengelegt. Der Junge ahmte die Geste nach.
    »Hallo. Ich wollte nicht stören.«
    Ein Agarbattistab, fest in einen Bettspalt gedrückt, kräuselte Rauch in die graue Luft. Der alte Mann fragte etwas. »Ich spreche keine indischen Sprachen«, sagte Slansky scharf. Schon der Austausch eines Grußes war im Augenblick zuviel für ihn.
    Hinter den dicken Linsen schwammen die Augen des alten Mannes, groß, anscheinend gleichgültig. Dann sagte er etwas zu dem kleinen Jungen und setzte seine Lesung fort, wobei er das Buch hochhielt, um das schwache Licht seiner Laterne aufzufangen.
    Slansky nahm seinen unruhigen Spaziergang wieder auf, schlug gelegentlich nach einem Moskito.
    Bihari hätte die Feier absagen sollen, als die Nachrichten aus Prag kamen. In mancher Hinsicht hatte er wenig Antenne. Geschwätzige Leute waren immer rücksichtslos. Ich muß mit ihm reden, ehe ich abreise. Alles liegt in Schutt und Asche. Das Dunkle Zeitalter. Faschismus. Maschinen-Menschen, die Individuen zerdrücken, bis Maschinen die Arbeit übernehmen. Gordona. Ihre Unterhaltung im Hof mit dem alten General Rabousek, der Garten von ihrer Freundlichkeit erfüllt. Das Kopfsteinpflaster, ihre hübschen Fußgelenke, ihre Beine, die Weinreben an der Wand. Wie sie in die Studios kam und an den ersten Dokumentarfilmen mitarbeitete. Wie sie beim Improvisieren half. Ihre Idee für den Zeichentrickfilm. Haben wir nicht genug gelitten … Das Land absichtlich herabgewirtschaftet, und wo ist sie jetzt? Was würde der alte Inder sagen, wenn er Bescheid wüßte? Armer alter Bursche … Aber da er dumm ist – vielleicht stimmt das gar nicht –, würde er unsere Pein nicht begreifen.
    Es gab keine Ruhe für ihn in diesem Garten.
    Mit einem letzten Schlag gegen die Moskitos kehrte er in das Haus zurück und näherte sich dem Mann am Empfang.
    »Sprechen Sie Englisch? Ich möchte Mr. Bihari Das anrufen. Würden Sie bitte zu seiner Wohnung in Delhi durchstellen?«
    »Natürlich, Sir. Ich lasse Sie sofort verbinden. Wahrscheinlich müssen wir aber eine Stunde warten.«
    »Versuchen Sie es bitte gleich. Ich warte hier.«
    Er wandte sich ungeduldig um. In diesem Augenblick kam Bihari Das durch den Vordereingang. Er lief auf seinen Freund zu und umarmte ihn.
    »Antonin, mein Lieber, du siehst, ich bin der schrecklichen Party entronnen. Sollen sie doch fiedeln, während Rom brennt; ist mir egal, wenn mein Ehrengast nicht dabei sein kann!«
    »Ich wollte dich gerade anrufen, Sadal.«
    »Ja, ja, nun, das wäre also nicht mehr nötig. Hier bin ich! Ich komme zwar in Teufels Küche, daß ich die Leute im Stich gelassen habe – denk daran –, aber es ist mir egal. Gehen wir nach oben in dein Zimmer, ja, und plaudern wir?« Er gab dem Mann am Empfang ein Zeichen, ihnen etwas zu trinken zu bringen.
     
    Oben im Zimmer brach die Dunkelheit über sie herein. Von seinem Balkon aus war in der hinteren Gartenecke das schwache Glühwürmchenlicht zu erkennen, wo der alte Mann dem Kind vorlas. Von der Straße drangen Stimmen und Musik herauf. Blitze zuckten am gezackten Horizont.
    Er nahm von Bihari Das ein Glas entgegen und sagte: »Ich kann mich jetzt unmöglich aufs Filmemachen konzentrieren. Ich muß morgen mit dem ersten Flugzeug zurück nach Prag.«
    Bihari Das war noch nicht Dreißig, klein, lebendig, voller Energie, mit einem gepflegten blauschwarzen Haarschopf. Sein hellblauer Mantel und das Seidenhemd waren fleckenlos. Er schenkte Slansky ein Lächeln, das manche Leinwand verschönt hatte, ehe er hinter die Kamera gewechselt war.
    »Ich weiß, wie dir zumute ist, mein Lieber. Du bist der Meinung, ich wäre zu wenig auf deinen Kummer eingegangen. Nun, das ist nicht so, obwohl ich zugeben muß, daß ich diesen Privatstreit zwischen zwei kommunistischen Verbündeten nicht begreife. Ich hasse Politik, absolut, mit dem starken Empfinden des Künstlers. Idi habe beim Flughafen angerufen und für dich bereits einen Platz für den Air-India-Flug nach Prag buchen lassen, morgen 10.05. Stimmt dich das etwas versöhnlicher?«
    »Ich halte sehr viel von dir, Sadal. Das ist sehr nett. Wieder stehe ich in deiner Schuld.«
    »Lassen wir das. Du kannst meinem Sekretär danken – er hat die eigentliche Arbeit getan. Er läßt

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