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neue SF 1

neue SF 1

Titel: neue SF 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langdon Jones
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schloß eine Seite des Empfangspultes ab. Slansky trat hindurch und erreichte einen düsteren Nebenflur, von dem drei Türen abgingen. Der Essensgeruch war hier stärker. Horizontales Sonnenlicht fiel in unmöglichen Winkeln ein, wie von matten Spiegeln reflektiert, Slansky stieß die nächstgelegene Tür auf und trat ein.
    Er befand sich in einem voll möblierten Wohnzimmer, umgeben von Sofas, Stühlen, kleinen Tischen, Topfblumen, Schreibsekretären, Bücherbrettern und einem massigen Klavier. Große Photographien – verblaßt und braunfleckig und mit gestellten Szenen oder Familiengruppen – hingen in schwarzen Rahmen an der Wand. Einzelheiten wurden Slansky nicht bewußt, da das vollgestopfte Zimmer nur durch ein Fenster am anderen Ende und durch eine offene Tür beleuchtet wurde, dahinter eine Veranda und ein heller Garten; das horizontale Abendlicht schlich sich in das Zimmer, wurde von den Tischplatten und der Front des Klaviers reflektiert, schuf Schatten, die Slansky wie solide Hindernisse im Weg standen.
    Dies alles erfaßte er mit einem Blick – dazu die Tatsache, daß eine zweite Tür nach rechts in ein Schlafzimmer führte mit einem Bett unter einem Moskitonetz. Plötzlich nahm er eine Bewegung wahr, und er sah – in dem Durcheinander aus Licht und Schatten nur undeutlich auszumachen – einen Mann in der Tür zur Veranda stehen. Er sah Slansky an.
    Der Mann war jung und schien eine Uniform zu tragen. Er war gutgebaut und blond; sein Gesicht wirkte breit und offen. Anscheinend ein Europäer. Sein Gesichtsausdruck war freundlich, und die Bewegung, durch die er auf sich aufmerksam machte, sollte vielleicht eine Willkommensgeste sein.
    Von einer Verlegenheit bestimmt, die ihm manchmal zu schaffen machte, trat Slansky den Rückzug an, ehe der Mann die Bewegung vollenden konnte. Er war hier ein Eindringling, und er ärgerte sich. Offensichtlich ein Privatzimmer.
    Besorgt, daß der Fremde ihm folgen könnte, ging er hastig durch den Nebenflur in den hinteren Teil des Hauses, wo er einen Innenhof erreichte.
    Von hier kam die Musik. Ein indische Familie saß beim Essen auf Steinfliesen im Schatten der gegenüberliegenden Mauer. Sie sahen Slansky sofort, als er ins Sonnenlicht trat.
    Eine grauhaarige Frau im Sari stand auf und kam näher, wobei sie zwei kleine Jungen zurückscheuchte, die ihr zu folgen wagten. Sie begrüßte Slansky höflich und fragte, ob er Sahib Slansky wäre.
    »Antonin Slansky, Madam. Sie haben mich schon erwartet?«
    »Ja, sahib, wir haben Sie erwartet. Mein Sohn mußte auf den Bazar, er hätte Sie noch besser willkommen geheißen. Darf ich Ihnen Ihre Räume zeigen?«
    Als er ihr ins Haus folgte – die beiden Jungen kämpften um sein Gepäck –, fragte er sie, ob dies ein Hotel wäre.
    »Es ist ein Hotel für Freunde von Sadal Bihari Das, sahib . Er ist Eigentümer und hält es nur für seine persönlichen Gäste geöffnet. In seiner Wohnung in Delhi ist es für Besucher nicht sehr gemütlich.«
    »Ich verstehe. Und gibt es außer mir andere Gäste?«
    »In der heißen Jahreszeit nicht viele. Sie kommen später.« Sie führte ihn in ein Zimmer im ersten Stock – ein Aufenthaltsraum; ein Schlafzimmer und ein modernes Bad gingen davon ab. Lächelnd und sich verbeugend ließ sie ihn allein und drängte die Jungen mit aus dem Zimmer, und sofort war er wieder von Wut und Verzweiflung überwältigt, isoliert in einem anderen fremden Zimmer.
    Mein liebes tschechisches Land, dein Frieden und deine Freiheit – was tun dir die Russen in diesem Augenblick an! Ihr schwerer Panzerstahl zermahlt unsere Hoffnungen, die seit dem Frühling keimten. Meine Kameraden – ich kann nicht bleiben, ich muß abreisen und mich zu ihnen gesellen und sterben, muß mit dem Blut meiner Finger die Panzerspuren rostig färben. Daß unsere sozialistischen Verbündeten, unsere slavischen Brüder uns derart verraten – und das nach Bratislawa und Cierna! Die Ehre ist tot! Ich kann nicht bleiben. Ich muß zurückfliegen nach Prag! Zum Teufel mit dem Filmprojekt!
    Ein Radio stand auf einer Kommode, von einer hübschen kleinen Decke mit Troddeln bedeckt. Er schob den Schutz zur Seite und schaltete das Gerät ein. Musik ertönte, ein Geräusch, das sich in seiner Ungeduld heulend und barbarisch anhörte. Er sah auf die Uhr. Sechs Minuten bis zur vollen Stunde.
    Er verbrachte diese sechs Minuten voller Unruhe, ging in dem Zimmer auf und ab und starrte von seinem Balkon auf das Gewirr aus Hoffläche, Fliesen und Garten,

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