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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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und weil er schon einmal da war, bestellte Frank gleich das nächste Bier, bis das kommt, dachte er, habe ich das andere sowieso schon ausgetrunken. Dann setzte er sich wieder hin und begann noch einmal von vorne mit dem Abschreiben. Ein Problem war auch seine Handschrift, das wurde ihm ziemlich schnell klar. Eigentlich war an ihr nichts auszusetzen, aber da es ihm auf gute Lesbarkeit ankam, schließlich ist es ein amtliches Dokument, dachte er, strengte er sich in dieser Hinsicht besonders an, was seine Schrift zwar deutlich, aber auch ungelenk, wenn nicht gar krakelig machte, jetzt rächt es sich, daß man seit Jahren nichts mehr mit der Hand geschrieben, sondern immer alles getippt hat, dachte er, da müßte man eigentlich erst einmal ein paar Tage trainieren, daß es einigermaßen flüssig und lesbar zugleich wird, dachte er, so ist das ja eine Psychopathenhandschrift, das kann man eigentlich keinem zumuten, dachte er, und je weiter er im Text kam, desto größer wurde darüber hinaus auch seine Angst, sich zu verschreiben, Verschreiber sind verräterisch, dachte er, sie sind wie Versprecher, es darf nicht der kleinste Fehler darin sein, dachte er, und wenn, dann dürfen es nur solche Fehler sein, dachte er, die durch geschicktes Übermalen ausgebügelt werden können, Hauptsache, man muß kein Wort durchstreichen, dachte Frank, alles andere kann noch als stilistische Eigenart gesehen werden, aber Durchstreichen ist das Eingeständnis einer Niederlage, und als er das dachte, kam das nächste Bier, und Frank trank das erste schnell aus, um dem Mann das leere Glas mitzugeben. Dabei war er wohl ein bißchen zu hektisch, denn als er das Glas zum Mund hob, um den Rest hineinzuschütten, ging ein wenig an den Mundwinkeln vorbei auf seine Uniformkleidung, er erschrak, verschluckte sich und verspritzte dabei etwas Bier auf das Papier.
    »Langsam, Junge, langsam«, sagte der Wirt, der verdächtig wie ein pensionierter Hauptfeldwebel aussah und auch so sprach. Er klopfte dem hustenden Frank auf den Rücken, »Ich nehm’s dir ja nicht weg, Junge«, sagte er und ging, als Frank mit dem Husten fertig war, mit dem leeren Glas davon. In der Tiefe des dunklen Raumes hörte Frank jemanden lachen und hoffte nur, daß es wegen was anderem war. Er zerknüllte das fast schon fertige, nun aber bekleckerte Schreiben. Dann begann er noch einmal von vorn, nicht ohne zuvor noch einen ordentlichen Schluck Bier genommen zu haben, vielleicht gibt das ja eine ruhige Hand, dachte er. Er war noch nicht weit gekommen, als ein Schatten auf ihn fiel. Er blickte hoch und sah in das Gesicht des Soldaten, der schon damals, als er mit Hoppe, Leppert, Hartmann und Schmidt hier gewesen war, stockbesoffen an ihren Tisch gekommen war und ihre Tageszahl hatte wissen wollen.
    »Was schreiben wir denn da?« fragte er und grinste. Frank bedeckte das Geschriebene mit der Hand. Die getippte Vorlage faltete er zugleich einhändig zusammen.
    »Was geht’s dich an?« sagte er.
    »Nichts, nichts.« Der andere, dessen Name Müller war, wie Frank jetzt an seinem Namensschild sah, setzte sich neben ihn.
    »Müller, komm her, laß doch den Schnüffel«, rief einer von seinem Tisch.
    »Nee, wir müssen uns mal unterhalten«, sagte Müller und zog dabei an dem Schreibblock, über den Frank seine Hand gelegt hatte.
    »Müssen wir nicht«, sagte Frank und hielt den Block dabei fest. »Hau ab, du Arschloch.«
    »Hoho«, sagte Müller gutmütig. »Scheint ja wichtig zu sein.« Er zog stärker an dem Block, Frank hielt ihn fest. »Guck mal da«, sagte Müller und zeigte auf etwas hinter Frank. Frank fiel drauf rein und drehte sich um. Dabei lockerte sich sein Griff, Müller zog am Block und hatte ihn für sich allein.
    »Hast du das geschrieben? Das kann man ja kaum lesen. Was hast du denn für eine Handschrift, Mann.« Franks Gegenüber runzelte die Stirn. »Bataillon ist falsch geschrieben. Das kann man sonst auch abkürzen, mit Bd.«, sagte er. »Was soll denn das werden?« Er zitierte mit gedämpfter Stimme: »>Hiermit beantrage ich gemäß Artikel 4, Absatz 3 die …    »Geht dich nichts an.«
    »Hoho! Ich weiß, wie das weitergeht. Artikel 4, Absatz 3, das ist ne Verweigerung, Mann.«
    »Woher willst du das denn wissen?«
    »Hab selber mal verweigert. Schau mal hier!« Müller zeigte auf seine Schulterklappen, die außer der schwarzen Litze der Pioniere keine weiteren Abzeichen aufwies. »Ich bin Edelpionier, Z-zwo, Vize und immer noch

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