Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Frank, »das geht immer. Das geht sogar, wenn man schon wieder raus ist aus dem Bund, das ist ein Grundrecht ist das, das ist gleich Artikel 4, Absatz 3 im Grundgesetz, das ist ganz vorne ist das …«
Er brach ab und fragte sich, warum er so einen Blödsinn redete. Es liegt wahrscheinlich daran, wie sie einen immer anguckt, dachte er, das bringt einen aus dem Konzept.
»Soso, das ist ja interessant«, sagte sie. »Und klappt das dann auch?«
»Das kommt drauf an.«
»Macht man da auch so eine Verhandlung?«
»Ja klar«, mischte Martin Klapp sich ein, »auch mit Zeugenaussagen und so. Ich schreib ihm eine.«
Sie sah ihn zum ersten Mal richtig an.
»Was für eine Zeugenaussage?«
»Na, so eine, wo man sagt, daß er da nicht hingehört«, sagte Martin Klapp eifrig, »und so weiter, also praktisch, daß man sagt, daß man ihn schon lange kennt und sich ohnehin schon gewundert hat, daß er da beim Bund ist, und dann schreibt man, daß er immer schon ein absolut gewaltfreier Pazifist und sowas war, mein Gott, so einen Scheiß halt.«
»Wieso Scheiß? Das ist doch gut?«
»Was?«
»Das ist doch nett, wenn einer einem da hilft.« »Nett, ja klar ist das nett«, sagte Martin Klapp, »und ob das nett ist. Ich mach das ja auch extra für ihn.«
»Genau«, sagte Frank, »Martin macht das.«
»Ah ja«, sagte sie und sah jetzt wieder zu Frank. Dem war das unangenehm, es war etwas in ihrem Blick, das ihn davon abhielt, den Rest seiner Gyrospita zu essen. Man ißt nicht gern, wenn man dabei beobachtet wird, dachte er, jedenfalls nicht, wenn der oder vor allem die andere dabei selber nichts ißt, das mag keiner gern, dachte er, während das Gyros, auf das er wirklich großen Hunger hatte, in seiner Hand kalt wurde. Martin Klapp dagegen stopfte sich derweil die Pita rein, als ob es nie wieder was geben würde.
»Finde ich gut, daß du verweigerst«, sagte sie. »Das finde ich sehr mutig. Da muß man wohl ziemlich viel aushalten, oder? Schikanen und so … «
»Bis jetzt nicht«, sagte Frank, »bis jetzt eigentlich nicht, das ist schon in Ordnung, das ist keine Heldentat, das ist ja ein Grundrecht, das darf ja jeder jederzeit und so.« Jetzt ist aber mal gut, dachte er und zwang sich zum Essen, wobei ihm der Krautsalat links und rechts aus der Pita heraus und direkt vor ihre Füße fiel.
»Also wenn man euch so sieht, dann kriegt man direkt selber Hunger«, sagte Sibille. »Aber ich will mal nicht mehr stören, ich muß auch nach Hause, was kochen, na ja, wir sehen uns ja auch dann Montag in der Uni, Martin«, sagte sie.
Martin nickte. »Goethe«, sagte er.
»Wir sind jetzt auch noch in derselben Arbeitsgruppe«, sagte Sibille zu Frank.
»Das ist schön«, sagte Frank.
»Naja …«, sagte sie. »Jedenfalls viel Glück dann.«
»Danke«, sagte Frank.
»Dir auch.«
»Mir auch?«
»Ja.«
»Wobei?«
»Keine Ahnung. Kann man immer gebrauchen.«
Sie lächelte. »Stimmt. Soll ich Birgit von dir grüßen?«
»Wieso?« sagte Frank verwirrt.
»Nur so«, sagte sie ironisch lächelnd.
»Ja, mach das mal«, sagte Frank, dem dieses Lächeln auf die Nerven ging, »mach das mal, schöne Grüße und so.« »Mach ich«, sagte Sibille.
Und dann ging sie. Frank und Martin Klapp schauten ihr nach.
»Werde nicht schlau aus der Frau«, sagte Martin Klapp versonnen. »Ich frag mich jedesmal, was die eigentlich von mir will!«
»Alles wahrscheinlich«, sagte Frank. »Absolut alles, Martin.«
Martin Klapp schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich verstehe die nicht. Die ist schwierig.«
»Schwierig ist alles mögliche«, fand Frank eine Überleitung. »Das mit der Zeugenaussage auch.«
Martin seufzte und aß hastig sein Gyros auf. »Laß uns mal zurückgehen«, sagte er, als er damit fertig war.
Sie gingen zurück zu ihrer Wohnung. Es war früher Samstagabend, und die Straßen des Viertels füllten sich langsam mit amüsierwütigen Leuten aus der ganzen Stadt.
»Das sind doch alles Neubauviertelpenner«, sagte Martin Klapp, als sie die Treppen hinaufgingen, »die kommen hier am Wochenende in unsere Gegend und nerven nur rum.«
»Wir sind auch aus der Vahr«, sagte Frank, »wir sind auch Neubauviertelpenner.«
»Bei uns ist das was anderes«, sagte Martin Klapp, »das war einmal, das ist vorbei, wir wohnen jetzt hier.«
»Ja«, sagte Frank, obwohl er sich, während Martin Klapp die Zange aufhob, um die Tür zu öffnen, fragte, ob man das, was sie in dieser Wohnung trieben, wirklich wohnen nennen konnte.
»Wir müssen
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