Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
die Grünzeugkarte vor kurzem erst entzogen hatten. »Ich glaube, ich habe die verloren. Ich wollte gerade den Hauptfeld bitten, daß ich eine neue bekomme.«
»Da müssen Sie erstmal eine Verlustmeldung schreiben«, sagte der Spieß. »Vorher geht da gar nichts. Außerdem: Sowas verliert man doch nicht einfach!«
»Und wenn, dann läuft man nicht ohne Karte draußen im Grünzeug rum, was denken Sie sich denn bloß dabei? Wie stehen wir denn jetzt da?« fügte der Major hinzu. »Sowas kann ich nicht durchgehen lassen, Lehmann, so leid mir das tut, da kommt noch was nach. Da überlege ich mir noch was. Da kriegen Sie morgen Bescheid. Kommen Sie morgen mal gleich nach dem Antreten wieder her, dann habe ich mir was überlegt.«
»Okay«, sagte Frank.
»Und was ist das jetzt mit dem Gelöbnis, Lehmann zwei?«
»Lehmann eins ist nicht mehr da«, sagte der Spieß.
»Ist doch egal«, sagte der Major unwirsch. »Was soll das mit dem Gelöbnis?«
»Ich will das nicht ablegen«, sagte Frank.
»Soso!« Der Major sah ihn nachdenklich an. Dann sah er noch einmal auf das Papier, das er in den Händen hielt. »Und da geben Sie uns hier so ein Schmierblatt, und dann sind Sie zufrieden, oder was?«
»Das da habe ich geschrieben«, erläuterte der Spieß. »Zur besseren Verständlichkeit, das kann man ja kaum lesen.«
»Sie wollen also kein Gelöbnis ablegen, ja?« sagte der Major. »Naja, man kann Sie nicht zwingen.«
»Nein«, sagte Frank.
»Das bringt ja nichts, so ein Gelöbnis, wenn es erzwungen ist«, sagte der Major.
»Ja, eben«, sagte Frank.
»Dann werden Sie aber auch kein Gefreiter!«
»Macht nichts«, sagte Frank, »dann eben nicht.«
»Können Sie vergessen.«
»Ich weiß.«
»Hm …« Der Major schien zu überlegen, ob es noch etwas zu sagen gab. »Und da sind Sie jetzt stolz drauf, oder was?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte Frank, »ich will bloß das Gelöbnis nicht ablegen, das ist alles.«
»Ja, aber warum nicht?«
»Ich bin nicht freiwillig hier. Warum soll ich da plötzlich was geloben?«
»Hm … Sie hätten auch verweigern können.«
»Habe ich gemacht«, sagte Frank. »Wurde nicht anerkannt. Da werde ich doch jetzt nicht noch irgendwelche Sachen geloben.«
»Ach so, ja richtig, ich erinnere mich«, sagte der Major. »So einer sind Sie, genau, Lehmann zwei, ich erinnere mich! Na dann … «
»Ich hefte das mal ab«, sagte der Spieß und nahm dem Major den Zettel wieder ab.
»Gut«, sagte der Major. »Und für Sie, Lehmann, überlege ich mir noch was. Wegen der Grünzeugsache, meine ich.«
»Ja«, sagte Frank.
»Lehmann!« sagte der Spieß, als Frank schon an der Tür war.
»Schütze Lehmann, melde mich ab«, sagte Frank.
»Nein, nicht das. Na gut, das auch«, sagte der Spieß. »Aber was ich eigentlich sagen wollte: Vergessen Sie nicht, heute vor dem Standortrundlauf auf das Schwarze Brett zu schauen!«
»Wieso?«
»Nur so«, sagte der Spieß und lächelte.
»Haben Sie mich da als Fackelträger eingeteilt?« dämmerte es Frank.
Der Spieß grinste jetzt über beide Backen, so hatte Frank ihn noch nie grinsen sehen.
»Lassen Sie sich überraschen, Lehmann«, sagte er.
37. VOLLVERSAMMLUNG
»Fackel? Was für eine Fackel?« sagte Martin Klapp.
»Keine Ahnung«, sagte Frank genervt, denn er fand, daß das nun wirklich nicht die Frage war. »Ich habe keine Ahnung, was die Bundeswehr für Fackeln benutzt. Ich bin ja nicht bei EVG/NVG.«
»Was ist denn EVG/NVG?«
»Weiß ich auch nicht«, sagte Frank. Sie saßen im Litfasz, um sich ein bißchen aufzuwärmen, denn es war kalt geworden, und sie hatten keine Kohlen für die Öfen in ihrer Wohnung, außerdem gab es hier Licht, und man konnte jederzeit aufs Klo, das waren starke Argumente für das Litfasz. »Aber die haben sowas. Nehme ich jedenfalls an.«
»Viel Ahnung scheinst du ja nicht zu haben«, sagte Ralf Müller.
Frank ignorierte diese Frechheit. Er hatte keine Lust, sich zu streiten, und wenn Ralf Müller ihm mit so einem Scheiß kam, dann handelte es sich wahrscheinlich ohnehin um eine Falle. Was will er, dachte er grimmig, daß ich meine Soldatenehre verteidige?
»Das ist ganz schönes Pech«, sagte Achim. »Da hätte ich aber keinen Bock drauf. Ich meine, Fackelträger, das ist wirklich scheiße, aber vor allem da! Ich meine: Weserstadion! Echt mal!« Er kippte seinen Wodka hinunter und goß sich einen aus seiner Taschenflasche nach. Frank freute sich, daß Achim sich wieder einigermaßen gefangen hatte, er
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