Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
hatte bis vor kurzem nur immer auf der Luftmatratze in Franks Zimmer gelegen und geschlafen, und wenn er nicht geschlafen hatte, dann hatte er an die Decke gestarrt, und das war Frank nicht ganz geheuer gewesen. Aber jetzt ging es ihm wieder besser, er wirkte gut gelaunt und unternehmungslustig und war auch schon leicht betrunken, wenigstens das, dachte Frank.
»Ich dachte, du hast das verweigert mit der Vereidigung«, sagte Martin Klapp. »Wieso können die dich dann einfach da als Fackelträger einteilen.«
»Das ist ein Befehl«, sagte Frank, »das ist nichts, was man verweigern kann. Das Gelöbnis abzulegen ist freiwillig, aber das Fackeltragen ist ein Befehl, und wenn man den nicht befolgt …« Er ließ das mal so stehen. Er wußte nicht genau, was dann kam, Knast? Oder erst einmal irgendwas darunter? Schwer zu sagen.
»Was denn dann? Kommst du dann in den Knast, oder was?« fragte Ralf Müller, wie wenn er Franks Gedanken lesen konnte. »Weißt du das etwa auch nicht so genau?«
»Knast«, kam Achim Frank zu Hilfe. »Knast nicht unter zwei Wochen. In schweren Fällen bis zu zehn Jahren Zuchthaus. Gehorsamsverweigerung geht immer auch vor ein ordentliches Gericht, so sieht das aus, Ralf. Da würde ich mal den Ball flach halten, wenn ich einfach bloß Kriegsdienstverweigerer wäre.«
»Zivis unterliegen auch der Dienstpflicht«, sagte Ralf Müller, »ich kann auch nicht einfach nein sagen, wenn … «
»Ja, ja, ja, laber, laber, laber«, unterbrach ihn Achim. »Erzähl uns einen, Ralf. Und gleich kommt Martin noch damit, wie revolutionär es ist, wenn man sich untauglich schreiben läßt.«
»Ich mein ja nur«, sagte Ralf Müller.
»Ich mein ja nur ist scheiße«, sagte Achim. »Du hast einfach keine Ahnung, Ralf. Du kannst doch nicht von Frank verlangen, daß er da den Befehl verweigert. Was meinst du, was die mit ihm machen? Und was hat das dann genützt? Wenn du das für politisch hältst, dann verstehst du nichts von Politik und schon gar nichts von der konkreten Analyse der konkreten Situation.«
»Was hat denn die konkrete Analyse der konkreten Situation damit zu tun?« ließ sich Ralf Müller nicht so schnell unterkriegen. »Ich meine, warum demonstrieren wir denn dagegen, daß die sowas im Stadion machen, wenn es andererseits okay ist, daß Frankie da mitmacht?«
»Ich finde auch«, sagte Martin Klapp. »Man kann doch nicht sagen, es wären immer nur die paar Leute in der Regierung und die herrschende Klasse, ich meine, wenn Revolution ist, dann gehen die Fronten oft quer durch, ich meine, da hängen dann doch auch nicht immer nur Kapitalisten an den Laternen.«
»Was redest du denn da jetzt für einen Quatsch«, sagte Achim. »Seit wann willst du denn wieder Revolution machen? Und wieso soll jetzt gerade Frankie dran glauben?«
»Darum geht’s doch gar nicht, ich sag doch nicht, daß man Frankie gleich dafür aufhängen soll.«
»Vielen Dank«, sagte Frank sarkastisch. »Vielen Dank auch, Martin, das ist nett von dir.«
»Dafür, daß du nicht mehr organisiert bist, Martin«, sagte Achim, »bist du aber ganz schön flott dabei mit der Revolution.«
»Du bist doch auch nicht mehr organisiert«, sagte Martin Klapp. »Man kann auch für die Revolution sein, wenn man nicht organisiert ist.«
»Ja, aber unter welchen theoretischen Voraussetzungen?« gab Achim zu bedenken.
»Ich bin immer noch Sympathisant«, sagte Martin Klapp, und spätestens hier blickte Frank überhaupt nicht mehr durch. »Außerdem sieht das doch so aus, daß wir, jedenfalls der KBW und so, daß wir also dazu aufrufen, daß man die Vereidigung verhindert, versteht ihr? Ich meine, echt mal, Achim, wenn man die verhindern will, dann muß man doch gewaltsam vorgehen, das ist ganz klar ein Fall von legitimer, revolutionärer Gewalt, und was ist, wenn Frankie dann auf der anderen Seite steht?«
»Noch dazu mit einer Fackel«, gab Frank zu bedenken. Achim lachte.
»Nein, das meine ich ernst, man muß die Sachen doch auch einmal zu Ende denken«, sagte Martin Klapp.
»Wir müssen gleich los«, sagte Ralf Müller. »Die VV fängt gleich an.«
»Ist da jeden Abend Sitzung? Nur wegen der einen Vereidigung?« fragte Frank.
»Nur?«, sagte Achim, »hast du eine Ahnung, nur! Das ist doch das Ereignis des Jahres, das ist doch wie Weihnachten und Ostern zusammen für unsere lieben Genossen und ExGenossen und Revis und die ganzen anderen Strategen, das ist doch für die alle das letzte Gefecht.«
»Na, na, Achim«, sagte Ralf
Weitere Kostenlose Bücher