Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
sagte er, »ich habe für Sie gestimmt. Und ich war der einzige. Immerhin.«
»Und ab Montag ist hier ein anderer?« wechselte Frank nachdenklich das Thema.
»Ja. Ich bin nur noch morgen da. Ab Montag können Sie’s noch einmal versuchen. Ich habe Fußpilz aufgeschrieben. Die müssen ja nicht alles wissen.«
»Montag nützt mir das nichts«, sagte Frank.
Der Arzt zuckte die Schultern. »Tut mir leid.«
»Ich geh dann mal«, sagte Frank.
»Ja. Viel Spaß noch«, sagte der Arzt und winkte ihm mit der brennenden Zigarette. »Und machen Sie’s gut. Ich nehme nicht an, daß wir uns noch ein drittes Mal sehen.«
»Nein, besser nicht«, sagte Frank. »Ich meine, nehmen Sie’s nicht persönlich, aber zweimal reicht.«
»Kann ich sehr gut verstehen«, sagte der Arzt, als Frank die Tür öffnete.
Frank drehte sich noch einmal um und sah ihn an. Der alte Mann zwinkerte nervös hinter seiner Zigarette. Dann hob er die Hände wie zur Abwehr einer Gefahr.
»Gucken Sie mich nicht so an«, sagte er. »Ich bin ein alter Mann. Man schlägt keine alten Leute!«
Frank lachte. »Schau an, schau an«, sagte er. »Da spricht das schlechte Gewissen.« Dann ging er hinaus und schloß die Tür hinter sich.
44. FACKELTRÄGER
Als Frank um elf Uhr im Großen Dienstanzug aus der Kompanie trat, waren alle seine Mitstreiter schon versammelt. Sie waren fünfzehn Mann plus Hauptfeldwebel, darunter der Obergefreite Baumann von der EVG/NVG, der gleich winkte, als er Frank aus der Kompanie kommen sah. Er rief: »Lehmann, da bist du ja!«
»Sie da«, rief der Hauptfeldwebel. »Sie sind spät dran. Und nehmen Sie den Helm ab. Bis ich was anderes sage, tragen Sie erstmal das Barett.«
Frank nahm den Stahlhelm vom Kopf und setzte das Barett auf. Dabei fiel ihm der Stahlhelm zu Boden, was unter seinen Kameraden einige Heiterkeit erregte.
»Wie heißen Sie?« rief der Hauptfeld.
»Lehmann!«
»Lehmann, soso«, sagte der Hauptfeld und hakte Franks Namen auf einer Liste ab. »Und werfen Sie Ihren Stahlhelm nicht so auf den Boden. Der ist Eigentum der Bundeswehr, den sollen Sie vorsichtig behandeln.«
»Den Stahlhelm?«
»Ja. Sie wissen doch, was ich meine. Okay, Leute, jetzt alle mal herhören: In Linie antreten!«
Sie stellten sich vor ihm auf, nur der Busfahrer nicht, der neben seinem KOM 21 stand und sich das alles gelangweilt anschaute.
»Sie auch, Ludwig!« brüllte der Hauptfeldwebel ihn an. »Bewegen Sie Ihren Arsch hier rüber.«
Ludwig, ein Hauptgefreiter, kam dazugeschlendert.
»Hört zu, Männer, ich weiß nicht genau, warum man gerade euch ausgesucht hat für diesen Job, und ihr denkt vielleicht, das sei jetzt verdammtes Pech oder so, und das ist es auch, soviel ist mal sicher.« Der Hauptfeldwebel hielt kurz inne. »Aber jetzt sind wir mal hier, und ich will auch nicht lange reden, das hat ja der Kompaniechef heute morgen schon getan. Was ich sagen will, ist, daß wir jetzt zusammen da drinhängen und daß wir am besten miteinander klarkommen, wenn einfach alles genau so gemacht wird, wie ich das sage, ohne Gelaber, ohne großes Getue, ohne Widerworte, ihr haltet einfach die Klappe und macht, was ich euch sage, dann geht das ganz sauber über die Bühne. Und wenn ihr doch mal was sagen wollt oder ein Problem habt, dann sagt ihr es immer schön sofort, und ich sage euch sofort, ob ich euch helfen kann oder nicht, und dann gibt es kein Gemurre, sondern es wird alles so gemacht, wie ich es sage. Habt ihr das verstanden?«
Sie nickten alle.
»Gut. Gibt es noch Fragen?«
Baumann, der neben Frank stand, meldete sich: »Wann sind wir wieder zurück, Hauptfeld?«
»Oh …« Der Hauptfeld seufzte und schaute auf die Uhr. »Jetzt ist es elfhundert. Das Gelöbnis ist um achtzehnhundert. Ich denke mal, so gegen zweiundzwanzignullnull dürften wir wieder hiersein, wenn alles glattgeht.«
Das rief Unruhe hervor, Stöhnen, Kopfkratzen, Füßescharren, leises Fluchen.
»Was habt ihr denn gedacht?« sagte der Hauptfeld. »Das war doch vorher klar. Und daß mir das gleich klar ist: Wir fahren alle zusammen wieder zurück in die Kaserne, dann wird sich umgezogen, und dann ist Feierabend. Daß mir da keiner meint, er kann sich einfach vorher in die Büsche schlagen, bloß weil die Veranstaltung vorbei ist oder er in der Nähe wohnt oder was. Ich bin für euch alle verantwortlich, bis wir wieder hier sind, daß das nur klar ist, Männer. Sonst noch Fragen?«
Wieder meldete sich Baumann. »Wenn das erst um achtzehn Uhr losgeht, warum
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