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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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»Ich habe ganz klar eine Lungenentzündung. Oder jedenfalls Verdacht auf Lungenentzündung.«
    »Verdacht ist keine Krankheit«, sagte der Alte und hob einen Finger. »Verdacht ist Feigheit. Jedenfalls bei Ärzten. Wenn einer zu feige ist für eine Diagnose, dann schreibt er >Verdacht< Sie haben eine Nikotinvergiftung, und wenn ich schlecht gelaunt wäre, dann würde ich Sie melden, wegen Selbstverstümmelung.«
    »So nennt man das heute nicht mehr«, sagte Frank, aber er war abgelenkt, schlecht gelaunt, schlecht gelaunt, dachte er, das brachte bei ihm ein Glöckchen zum Klingeln.
    »Haben Sie nicht mal den Kriegsdienst verweigert?« sagte der andere.
    »Wieso? Steht das auch in meiner G-Karte?« sagte Frank, und dann wußte er plötzlich, wer der Alte war.
    Und der Alte wußte es auch. »Ich weiß, wer Sie sind!« sagte er und zeigte mit dem Finger auf Frank. »Ich weiß, wer Sie sind.«
    »Ich weiß auch, wer Sie sind«, sagte Frank. »Sie sind damals bei meiner Verweigerung dabeigewesen.«
    »Ja, genau, ich erinnere mich«, sagte der Alte.
    »Sie waren doch der schlechtgelaunte alte Mann, der gegen mich gestimmt hat.«
    »Soso«, sagte der Alte. »Glauben Sie?«
    »Na klar, geben Sie’s doch zu!«
    »Ha!« Der Alte grinste, und Frank sah dabei, daß er kaum noch Zähne im Mund hatte. »Woher wollen Sie das denn wissen?«
    »War doch klar. Sie waren doch vom Kreiswehrersatzamt bestellt. Der mit dem Bart war von der SPD, und der Typ in der Mitte glaubte an den Quatsch. Der hat auch gegen mich gestimmt.«
    »Papperlapapp, das waren alles Idioten. Ich habe für Sie gestimmt. Als einziger. Hab mir gleich gedacht, daß Sie ein Drückeberger sind.«
    »Das versteh ich nicht«, sagte Frank verwirrt. »Wieso haben Sie dann für mich gestimmt?«
    »Sie hatten das so dämlich angestellt, daß klar war, daß die anderen alle gegen Sie sein würden. Da habe ich für Sie gestimmt. Hatten Sie auch verdient. Sie hatten wenigstens ein bißchen Mumm in den Knochen.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Frank.
    »Da gibt’s auch nichts zu verstehen«, sagte der Alte. »Und das mit Ihrer Lunge, das ist eine Nikotinvergiftung. Wenn Sie sich vor dem Dienst drücken wollen, dann müssen Sie sich schon was Besseres einfallen lassen. Oder wenigstens nicht so höllisch nach Zigaretten stinken, wenn Sie den Mund aufmachen.«
    »Ich glaube, Sie sind nicht ganz dicht«, sagte Frank.
    »Männer in meinem Alter sind nie ganz dicht«, sagte der Alte und lachte meckernd. »Das liegt in der Natur der Sache. Aber Sie können doch nicht von mir erwarten, daß ich Ihnen hier einen Verdacht auf Lungenentzündung aufschreibe, wenn ich doch weiß, daß Sie eine Nikotinvergiftung haben.«
    »Wieso?« sagte Frank, der merkte, daß er dem Alten irgendwie nicht böse sein konnte. »Bei der Verweigerung haben Sie doch auch für mich gestimmt, obwohl Sie dachten, ich wäre nicht astrein. Das war ja auch nicht gerade konsequent.«
    »Das ist was anderes«, sagte der Arzt. »Da war’s mir ja egal. Das ist doch Quatsch mit diesen Verhandlungen, wer kann das schon ernst nehmen? Aber Medizin, da kenne ich nix, junger Mann, das ist mein Beruf. Sie haben Pech gehabt. Bei dem, wie Ihr Atemsystem rasselt, hätte jeder von den jungen
    Ärzten, die sie hier sonst haben, sofort einen Schreck gekriegt. Und ab Montag haben sie hier wieder so einen. Aber heute bin ich da. Und ich schreibe Sie dienstfähig.«
    »Ja, ja, ich geh dann mal«, sagte Frank und zog sein Hemd wieder an.
    »Ja, viel Spaß noch«, sagte der Arzt. »Und passen Sie auf sich auf.«
    »Sie sind eine Pfeife«, sagte Frank. »Sie sitzen da in so einer Kommission und lassen die Leute nach Belieben durchrasseln oder bestehen und haben keine Ahnung, was das für deren Leben bedeutet.«
    »Woher wollen Sie das denn wissen?«
    »Sie haben doch selbst gesagt, daß Sie das nicht ernst nehmen.«
    »Ja, das stimmt«, sagte der Alte und zündete sich zu Franks Überraschung eine Zigarette an. »Wollen Sie auch eine?«
    »Nein, lieber nicht«, sagte Frank.
    »Sehen Sie: Nikotinvergiftung«, sagte der Arzt zufrieden paffend. »Dann mag man nicht mehr.« Er überlegte kurz und schaute dabei auf seine Zigarette. »Ich habe nicht gesagt, daß ich keine Ahnung hätte, was das für das Leben der Leute bedeutet. Na gut, ich würde auch nicht sagen, daß ich es wüßte, wer kann das schon von sich sagen …« Er zog an der Zigarette, pustete den Rauch aus und sah dann Frank lächelnd an. »Aber vergessen Sie nicht«,

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