Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
neuen Zeit«, sagte er.
Frank stand neben ihm und schaute ebenfalls auf die Tapete. Sie hatten die Rolle Rauhfaser aus Ralf Müllers Zimmer genommen und den Eimer mit dem Kleister bei Achim gefunden, der war wohl von einer Plakatkleberei übriggeblieben. »Die werden sich freuen, wenn wir mal was tun«, hatte Martin Klapp gesagt. Bis jetzt war renovierungsmäßig noch nicht viel passiert, nur das Zimmer von Ralf Müller sah schon ganz gut aus, »die Sau hat die ganze Woche nichts als sein Zimmer gemacht«, hatte Martin Klapp ihm eröffnet, »und die Scheißkatze angeschleppt.«
Die Katze, ein kleines, mageres, graues Ding, stand jetzt auch dabei und schmiegte sich an Franks Bein, während sie die Tapetenbahn betrachteten.
»Wo fangen wir an?« fragte Martin Klapp.
»Keine Ahnung«, sagte Frank, der lieber weiter das Problem mit dem Pionier Reinboth besprochen hätte.
»Da«, sagte Martin Klapp und zeigte neben die Eingangstür der Wohnung. »Nein, lieber da, gegenüber, dann sehen die das gleich, wenn sie reinkommen. Das wird ein Jubelfest.« Er lachte, nahm die Tapete auf und klebte sie auf Augenhöhe irgendwie an die Wand. »Ach so, Stuhl«, sagte er.
Frank scheuchte die Katze weg und holte aus der Küche einen Stuhl, den einzigen, den es in der Wohnung gab. »Wir müssen bis Sperrmüll warten«, hatte Martin Klapp gesagt, als sie gemerkt hatten, daß keiner von ihnen Stühle für die Küche hatte, »wenn erstmal Sperrmüll war, dann ist hier alles voller Möbel.«
Frank stellte den Stuhl hinter Martin Klapp, der immer noch die Tapete an die Wand hielt und von deren oberem, herunterhängenden Teil größtenteils verdeckt wurde, und sagte: »Hinter dir.« Martin Klapp zog den Stuhl mit einem Fuß ganz an sich heran und stieg darauf, während Frank versuchte, ihm beim Halten der Tapete zu helfen. Auf dem Stuhl stehend, drückte Martin Klapp die Tapete ächzend weiter oben an die Wand. Der Stuhl reichte natürlich nicht, um mit den Händen ganz nach oben zu kommen, und sie hatten keine Leiter mehr, Ralf Müller hatte die, die sie einmal gehabt hatten, seiner Mutter zurückgeben müssen.
»Ach so, der Besen«, sagte Martin Klapp.
Frank holte aus der Küche den Besen.
»Ich halt das mal hoch, und dann gehst du mit dem Besen drunter.«
Frank ging mit dem Besen drunter und schob die Tapete höher, Martin Klapp übernahm den Besen und klebte die Tapete bis oben fest, sie war dort länger als nötig, und was überstand, drückte er mit dem Besen an die Decke, bis es hielt. Unten fehlte dafür ein Stückchen. Martin Klapp stieg wieder vom Stuhl, und sie schauten beide auf ihr Werk.
»Da unten, das macht erstmal nichts«, sagte Martin Klapp, »das sieht man nicht, wenn das erstmal gestrichen ist.«
»Naja«, sagte Frank, dem das in diesem Moment egal war. Er hatte den ganzen letzten Abend darüber gegrübelt, was er als Stellungnahme zu Pionier Reinboths Abwesenheitseskapaden schreiben sollte. »Das Problem ist doch«, kam er auf dieses Thema zurück, »daß ich Vertrauensmann bin und eine Stellungnahme abgeben muß. Ich kann doch nicht schreiben: >Verknackt ihn, er ist blöd< oder sowas, ich bin doch sowas wie sein Anwalt …« Die Katze kratzte mit den Vorderpfoten an seiner Hose, und Frank fragte sich, ob man so ein Tier einfach so auf den Arm nehmen konnte.
»Hm …«, sagte Martin Klapp und wischte seine Hände die voller Kleister waren, an seinem Hemd ab. »Vertrauensmann! Achim wird stolz auf dich sein.«
»Ach Scheiße«, sagte Frank. »Das brauch ich auch wie ein Loch im Kopf, daß der auf mich stolz ist. Aber ich muß doch irgendwas schreiben, verdammt nochmal.«
»Und der hat nichts gesagt? Gar nichts?«
»Nee.«
»Hm …«, wiederholte Martin Klapp. »Da hilft nur noch Dialektik. Wir müssen Achim fragen. In Dialektik ist Achim gut, und ich weiß auch, wo wir den jetzt finden können.« Er zeigte auf die Tapetenbahn, die jetzt überall Wellen warf. »Die Beulen gehen raus, wenn das trocknet«, sagte er.
»Jaja«, sagte Frank, »wo ist denn Achim?«
»In der Vahr«, sagte Martin Klapp. »Das reicht erstmal für heute, laß uns Schluß machen. Man muß ja auch nicht gleich übertreiben. Laß uns in die Vahr fahren und Achim fragen.«
»Was macht der denn in der Vahr?«
»Berliner Freiheit«, sagte Martin Klapp. »Der macht da den Büchertisch und verkauft die KVZ. Mann, bin ich froh, daß ich das hinter mir habe!«
Auf dem Platz vor der Berliner Freiheit war Wochenmarkt, und als sie sich durch
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