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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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meinen Geist gereckt, aber in Wahrheit reckt er mich. Vater, was soll ich tun?«
    Ihre Stimme klang plötzlich dumpf und hilflos. Josh sah sich an seinen ersten Eindruck von ihr erinnert: verwundbar, tastend.
    »Du musst langsamer vorgehen«, riet er ihr. »Die Zeit ist deine Dienerin. Sei ein bisschen sanfter mit der Erde und ihren Geschöpfen, und du wirst von ihrer Natur viel mehr verstehen lernen …«
    »Und von deiner eigenen, Kleines«, fügte Beauty hinzu.
    Sie lächelte traurig und erfasste die anderen mit ihren Spiegelaugen. Sie schüttelte langsam den Kopf, und Josh hatte auf einmal das Gefühl, das einsame Kind sei weit über seine Jahre hinaus weise.
    »Das Universum ist nicht sanft, Vater«, flüsterte sie.
    »So halten wir mit sanfter Freundschaft die Leere von uns fern«, sagte Beauty halblaut.
    »Dann wollen wir auf sanfte Freunde trinken«, sagte Josh, zog den Korken aus der Flasche und füllte drei Gläser.
    »Und auf neue Spiele«, sagte sie, als sie nach ihrem Becher griff.
    Beauty nahm den dritten. Isis schien es plötzlich zu jucken. Sie begann heftig zwischen die ersten beiden Krallen ihrer linken Vorderpfote hineinzubeißen.
    Josh erhob sein Glas.
    »Auf neue Spiele und die Sanftheit der Freundschaft.«
    Sie tranken – und spuckten den Schluck sofort wieder aus. Der Wein war schlecht geworden. Die Kind-Königin warf ihr Glas hin. Sie fuhren mit den Händen über die Lippen und spuckten wieder, um den säuerlich-bitteren Geschmack loszuwerden.
    »Was soll das heißen?« schrie die Kind-Königin. Isis erschrak, sprang auf den Boden hinunter und mit der Pfote genau in den rotgestreiften Speichel. Sie schüttelte heftig die Pfote und lief in eine Ecke.
    »Das war keine Absicht«, entschuldigte sich Josh und versuchte zu lächeln. »Der Wein ist schlecht geworden. Bei altem Wein kommt das manchmal vor. Kein Grund zur …«
    »Gehe jetzt!« grollte die Kind-Königin. Ihre Federn sträubten sich heftig, die Augen waren zuckende Sternhaufen, ihre Worte wieder mit Telepathie vermischt.
    »Nein, hör doch«, sagte Josh. »Das ist nur Essig aus …«
    Beauty versuchte ihn durch eine verstohlene Berührung zurückzuhalten, aber es war zu spät. Das Kind kreischte sie an: »Ihr sollt gehen!« Um ihren Kopf sprühten Funken, der Luftdruck im Zimmer schien stark abzusinken.
    Josh und Beauty wichen langsam zurück, zur Tür hinaus. Isis huschte eben noch aus dem Zimmer, bevor die Tür sich schloss.
    Das Kind blieb allein im Halbdunkel zurück.
    Lange Minuten saß die Kind-Königin und brütete aufgebracht vor sich hin. Sie wusste, dass das von Joshua keine Absicht gewesen war. Sie hatte sich in seine Gedanken getastet und das feststellen können. Der Geschmack des Weines schien sie alle gleichermaßen überrascht zu haben. Aber sie hasste jede Art Unbehagen und war zornig.
    Sie schmollte eine Zeitlang, was sie aber nur noch wütender machte. Sie brauchte ein Ventil, ihre Verwirrung musste sich freie Bahn schaffen. Die Düsterkeit ihrer Gedanken folterte sie. Sie hätte am liebsten geschrien, wollte explodieren.
    Osi.
    Dampfender Rauch stieg aus ihrem Kopf auf, der um so vieles heißer war als die Luft ringsum. Rhythmisch und zerstreut scharrte sie mit den Nägeln auf den Armlehnen ihres Thrones.
    Osiiiiii!
    Osi kam herein und ging auf den Thron zu. Der Größenunterschied war enorm – er weit über zwei Meter groß, sie kaum eineinviertel. Sein Körper war von Kopf bis Fuß unbehaart, der ihre gefiedert. Seine Haut war dunkel, ihr Gemüt noch finsterer.
    »Ihr wolltet mich sprechen, Hoheit?« In seinem Inneren hatte er ihren Ruf gehört und keinen Widerstand leisten können. Irgend etwas an diesem Vogel-Kind hielt ihn fest, verführte ihn. Sie konnte ihn zwingen. Sie spielte auf eine Weise mit ihm, gegen die er machtlos war – oder machtlos sein wollte. So viel in seinem Leben war auseinander gefallen, hatte sich aufgelöst, allein auf dieses Kind richtete er sich noch aus. Das war der einzige Grund, den er erkennen konnte, warum er immer noch in dieser zerfallenden Stadt blieb – irgend etwas an dem Wesen, das er zugleich fürchtete und begehrte. Gefühle, wie meine Haremssklaven sie für mich empfunden hatten, dachte er. Er lächelte schief, als er vor ihr stand. Sie ist mein Vampir, fuhr es ihm durch den Kopf. Vielleicht hat jeder ein Geschöpf, das für ihn Vampir ist.
    Sie nickte, als hätte sie seine Bestätigung gehört.
    »Knie nieder«, sagte sie.
    Er sank vor dem Thron auf die Knie. Sie nickte

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