Neue Zeit und Welt
sein.«
»Und weshalb sollte ich eure Freundin sein wollen?«
»Wenn du das fragen musst, bist du diejenige, die nicht gebraucht wird.«
Die Federn an ihrem Arm richteten sich auf, in ihren Augen schienen winzige Lichter zu explodieren.
Josh fuhr hastig dazwischen.
»Wir wollen dir nicht zu nahe treten. Wie du schon sagtest, wir haben nur Angst – vor dem Wetter.«
Die Federn glätteten sich, die Augen wurden klar. Sie streckte die Hand aus und streichelte Isis, die wach, aber regungslos neben ihr lag.
»Ich habe dir schon einmal gesagt, ich tue dir und den deinen nichts. Du hast nichts zu fürchten.«
»Kannst du uns sagen –?«
»Gestern Nacht habe ich Experimente mit der Atmosphäre angestellt. Mit elektrischen und Gravitationsfeldern, mit Materie – und Energieumwandlungen. Kannst du mir sagen, was du tust, wenn du dich reckst?«
»Nein, aber –«
»Nein, aber du tust es trotzdem und fühlst dich danach wohler. So war das gestern Nacht bei mir. Ich habe mich innerlich gereckt und gedehnt.«
Josh lächelte.
»Für das, was du gestern Nacht getan hast, gibt es noch kein Wort.«
»Dann erfinde ich neue Wörter. Ich bin schließlich die Tochter meines Vaters – das Kind von Schreibern.«
»Was bist du noch?« fragte Beauty leise.
Sie dachte über die Frage nach und erwog viele Antworten.
»Ich bin … neugierig. In jeder Beziehung. Alles ist neu … und gleichzeitig alt. Versteht ihr?«
Josh nickte. Beauty sah sie prüfend an. Isis putzte ihren Schwanz.
»Ich habe zwei Vampirwachen heute bei einem ›Spiel‹ beobachtet«, fuhr die Kind-Königin fort. »Sie haben Knöchelchen geworfen. Was ist ein Spiel?«
»Sie werfen Knöchelchen, um zu sehen, wie sie hinfallen. Das hängt vom Zufall ebenso ab wie von der Geschicklichkeit und entscheidet darüber, wer gewinnt.« Beauty bediente sich eines sachlichen Tonfalls und beobachtete das Kind.
»Ich verstehe den Ausdruck ›Zufall‹ nicht.«
»Dann wollen wir ein Spiel versuchen«, sagte Josh. »Pass auf.« Er holte unter einem zerborstenen Fensterrahmen zehn Holzsplitter hervor und warf sie als Häufchen vor dem Kind hin. »Das nannte man früher ›Mikado‹. Der Zufall hat bestimmt, wie sie gefallen sind. Jeder von uns muss nun versuchen, ein Stäbchen abzuheben, ohne die anderen durcheinander zu bringen.« Vorsichtig hob er ein Stäbchen ab; keines der anderen bewegte sich. Behutsam zog er ein zweites in der Mitte heraus. Er versuchte es bei einem dritten, ein anderes geriet ins Wanken, drei Stäbchen sanken tiefer.
Josh lachte.
»Jetzt du«, sagte er zu Beauty.
Der Zentaur war stolz auf seine Geschicklichkeit bei diesem Spiel. Er ließ sich auf die Knie nieder und zog ein Stäbchen aus dem Haufen, ein zweites, ein drittes – irgendwo in der Festung gab es eine Explosion, die Boden und Wände erschütterte. Das Häufchen bewegte sich.
»Ah«, sagte Beauty lächelnd. »Wieder der Zufall. So sei es. Nun du, Kind.«
Die Kind-Königin wirkte ein wenig verwirrt, sprang aber vom Thron und sah sich die Holzsplitter genau an. Nach einer Weile sagte sie: »Seht ihr? Fällt euch das auf? Was das darstellt?«
Beauty und Josh schüttelten die Köpfe.
»Die Südwand des Serengeti-Kraters. Diese Form ist nicht neu. Geht es darum bei dem Spiel? Das Muster zu erkennen? Zu sagen, wo es vorher schon vorhanden war? Ah, jetzt verstehe ich. Was für ein schönes Spiel! Ich mag Spiele. Aber wo ist dabei der Zufall?«
Josh und Beauty tauschten einen Blick, der dem Kind nicht entging. Sie sah sie betroffen an und sagte: »Ich habe bei dem Spiel verloren, nicht wahr?«
»Du erfindest deine eigenen Spiele«, sagte Josh leise.
»Gut. Ich erfinde neue Wörter und neue Spiele«, erwiderte sie ein wenig trotzig.
»Und findest neue Freunde«, sagte Beauty und senkte den Kopf.
Die Bemerkung schien ihr zu gefallen. Sie lächelte, wollte etwas sagen, schien es sich aber anders zu überlegen.
»Was du gestern mit dem Wetter angestellt hast, war ja wirklich erstaunlich«, sagte Josh.
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, dann zog sie die Brauen zusammen.
»Ich kann aber nicht tun, was ich möchte«, gestand sie. »Ich versuche die Luft in Feuer zu verwandeln – statt dessen regnet es. Ich will die See zu Stein machen – dabei schmilzt Gestein. Ich heiße den Mond, sich für mich zu entzünden – und er tut es auch, nur ist es ein Saturnmond.« Sie blickte zu Boden, hob auf einmal das Gesicht und sah Josh an. »Ich habe dir voll Stolz erklärt, ich hätte
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