Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn

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Angestöpselten kaum in der Lage waren.
    Sie hatten sich persönliche Namen zugelegt, von denen sie meinten, sie beschrieben am einfühlsamsten Farbe, Pegel und Zustand, in denen sie, sobald sie angeschlossen waren, in der Regel verharrten. Kerzenflamm hatte seinen Namen mit großem Bedacht angenommen, um die verschiedenen diskreten Elemente in einer Kerzenflamme ebenso wiederzugeben wie die Bewegung dieser Elemente, ihre Farben, ihre Hitzegrade, ihre Verschiedenheiten und ihre Einheit. Die Bedeutung dieser Dinge in Beziehung zu Kerzenflamms bevorzugtem Bewusstseinszustand brauchte einem anderen Angestöpselten nicht erläutert zu werden – und konnte jedem anderen, der keiner war, nicht begreiflich gemacht werden.
    In den Labyrinthkatakomben unter den Klippen südlich der Stadt ohne Namen lebten sechsundzwanzig Angestöpselte. Sie waren vor Jahren hierhergekommen, unmittelbar nach ihrer Flucht aus der Stadt, als sie einen Tunnel entdeckt hatten, der sich, manchmal unter dem Meeresboden, meilenweit dahinschlängelte, von einem der Abwässerkanäle unter der Stadt ausgehend und nach Süden führend, bis er sich zu den Katakomben verzweigte, die sie heute bewohnten. Sie waren seitdem hier geblieben und hatten es weder gewagt, weiterzuziehen noch zurückzukehren. Der Gedanke, in die Gefangenschaft zurückzukehren, war ihnen verhasst: Seite an Seite auf dem Rücken zu liegen, regungslos bis zu dem Tag, an dem sie starben, ihre Gehirne an das Gebilde angeschlossen, das ihre Gedanken stahl und sie benutzte, speicherte, ausschmückte, vermischte, zusammenschmolz und damit spielte. Hassten die Erinnerung an diese Sklaverei. Und dessen ungeachtet war dies das höchste Erlebnis ihres Daseins gewesen.
    Licht, Lichtlos, Singularität, Verschmelzung. Das waren die Zustände, in denen diese Menschen sich während ihrer zusammengeschlossenen Vereinigung befanden – Zustände, die mit nichts verglichen werden konnten. Höhepunkte.
    Dreiundachtzig von ihnen waren in die Tunnels entkommen, von Josh befreit, nachdem er Rose herausgeholt hatte. Manche waren auf dem Marsch zu den Katakomben zugrunde gegangen, andere später allein weitergezogen. Vierzehn hatten sich im Verlauf der folgenden zwei Jahre umgebracht, weil die Aussicht, jemals wieder aneinander angeschlossen zu werden, so fern schien.
    Nun blieben sechsundzwanzig, der Stadt nah genug, um noch immer dem Traum nachzuhängen, dass sie eines Tages die Festung, die Stecker und Kabel erobern und von neuem in die Vereinigung eintreten würden.
    Manche der Angestöpselten waren Schreiber gewesen, bevor man sie für das Großexperiment der Königin eingefangen hatte, und manche dieser Schreiber wussten von der Bucherei. Drei Jahre nach ihrer Flucht hatten sie deshalb Verbindung mit der Buchgesellschaft aufgenommen, die Leute in die Katakomben geholt und sich mit ihnen zusammengetan, um die Eroberung der Stadt zu planen. Beim Planen war es seither geblieben.
    Es war eine unvollkommene Ehe. Die Büchermenschen wollten die Stadt ohne Gnade zerstören, auch wenn sie sich nicht auf den besten Weg dazu einigen konnten; die Angestöpselten legten größten Wert darauf, das Netzwerk von Kabeln zu bewahren, das sie einmal vereinigt hatte. Beide Gruppen klammerten sich an ihr Ziel. Es gab Kompromisse und Misstrauen. Man spaltete sich in zwei deutlich voneinander geschiedene Lager, getrennt durch ein Geflecht von Tunnels und Höhlen.
    Aber zwischen den Buchmenschen und den Angestöpselten bestand auch eine enge Verbindung. Sie waren alle miteinander Menschen.
    »Bitte, komm herein«, sagte Kerzenflamm zu Paula.
    Sie zog das Badetuch fester um sich und trat ein. Er schloss die Tür hinter ihr.
    Der Raum war groß, aber angenehm erwärmt von zwei Lagerfeuern, die zu beiden Seiten einer unterirdischen Quelle loderten. An einem der Feuer kochten mehrere Leute ihr Essen. Kerzenflamm ging mit Paula zum anderen Feuer, damit sie sich dort aufwärmen konnte.
    Trotz ihrer unterschiedlichen Loyalitäten waren Paula und Kerzenflamm Freunde. Paula verstand nichts von Verschmelzung, und Kerzenflamm konnte die mystischen Aspekte der Welt nicht begreifen – aber sie kannten einander und schätzten sich.
    »Ich habe heute gesehen, wie ein Mensch entführt wurde«, sagte Paula leise. »Er hatte Krämpfe, und man schaffte ihn in die Stadt.«
    »Möge er Vereinigung erreichen«, gab Kerzenflamm voll Mitgefühl zurück und verflocht seine Finger zum Zeichen der Verkettung.
    »Ich kannte ihn«, fuhr sie fort.