Neue Zeit und Welt
als er Joshuas Brief fand.
Die Mitteilung war außen an Beauty gerichtet, der Inhalt dagegen wandte sich an Ollie und Jasmine. Beauty vermutete, dass einer von den beiden den Brief hier zurückgelassen hatte, damit er ihn finden, ihnen folgen und sie dort einholen sollte, wo sich der Ursprung seiner größten Ängste befand – in der Stadt ohne Namen.
Er argwöhnte, dass alles in diese Richtung wies; den Grund kannte er nicht. Aus irgendeiner Bestimmung schien es beinahe unausweichlich zu sein, wenn das Unerledigte dort nach Auflösung verlangte.
»Verdammte Stadt«, murmelte er müde. Er fluchte selten, weil man da zu leicht ins Straucheln geriet. Er fand sein Gleichgewicht aber rasch wieder und ließ sich nieder, um seinen weiteren Weg zu planen.
Er würde Hilfe brauchen. Die Stadt musste gegen Überfälle viel besser geschützt sein als beim ersten Ansturm. Er brauchte jemanden, dem er vertrauen konnte, und dachte gleich an D’Ursu Magna.
D’Ursu war ein alter, enger Freund, ein Bären-Häuptling und engster Vertrauter Jarls, des Bären-Königs. Jarls Streitkräfte waren im nahen Newport, wie Beauty gehört hatte, und warteten darauf, dass der Doge den ersten Schritt tat.
Beauty begab sich also nach Newport.
An einem frischen, kalten Morgen im Januar trabte Beauty auf den Hauptplatz von Newport, den Bogen aus einer Drachenrippe über der Schulter. Er fragte nach D’Ursu Magna und wurde zur Lieblingskneipe des alten Bären gewiesen, einem Lokal, das ›Eule‹ hieß und sich im Keller eines Steingebäudes in der Altstadt befand.
Es gab keine Fenster im Raum, der einer Höhle glich. Mehrere Bären lagen in verschiedenen Stadien des Winterschlafs auf dem gestampften Lehmboden; einige kauten Mohnkörner, andere Gerstenpilz. Zwei Trolle lagen abgemagert in einer Eckenvertiefung, eine Fledermaus flatterte hilflos auf dem Rücken bei der Tür. Aus einem Nebenraum drangen Laute und Gerüche von unverhülltem Sex, dick brodelnd und lastend.
Auf einem Baumstamm neben der Zwischentür saß D’Ursu Magna. Die großen braunen Augen des Bären waren getrübt von liebeleerer Befriedigung, sein Pelz verfilzt von säuerlichem Schweiß. Beauty ging zu ihm und legte die Hand auf die Schulter seines Bärenfreundes.
»D’Ursu Magna«, sagte der Zentaur. »Ich bin hier, um deine Hilfe zu erbitten, aber du siehst wie ein armseliger Bär aus.«
D’Ursu blickte zu ihm auf, als erwache er aus einem langen Traum.
»Beauté Centauri«, knurrte er. »Du bist wieder einmal zur Stelle, um mich zu retten. Meine Klauen bluten, weil ich mich in dieser Gosse festgeklammert habe. Beauté Centauri, erlöse mich.«
Beauty half D’Ursu hoch und führte ihn hinaus. Er ging mit dem mächtigen Bären langsam zum Rand der Stadt, druckte ihn an einem klaren Teich in einer großen Wiese auf den Boden nieder und wusch ihn sorgfältig und behutsam mit kaltem Winterwasser aus dem Teich. Mit der Zeit wurden D’Ursus Augen klar, während der Zentaur ihn säuberte. Er schaute sich um, sah, wo er war, und stieß einen brüllenden Schrei aus.
»Fühlst du dich besser?« fragte Beauty, während er das Wasser vom Rücken des Bären wischte.
»Beauté Centauri, ich schäme mich, dass du mich so siehst. Stinkend wie ein Mensch.« Er spuckte aus.
»Du stinkst wie ein Bär, der den Wald vergessen hat und glaubt, er könnte sich wieder daran erinnern, wie er an einem Stechapfel kaut.«
»Ich habe nichts vergessen!« knurrte D’Ursu. Dann fuhr er mit leiserer Stimme fort: »Ich habe nichts vergessen.« Er leckte sich die Tatze. »Aber diese Stadt macht mich krank mit ihrer Verseuchung. Wir sitzen herum und warten darauf, dass der Doge angreift, und heute sitzen wir immer noch. Wir leben zusammengepfercht in Häusern und Hütten, damit der Doge mit seinen Spionschiffen auf dem Meer nicht dahinter kommen kann, wie viele wir sind. Kannst du dir das vorstellen, Beauté? In einem Haus, wo man den Himmel nicht sehen, den Wald nicht riechen, sich nicht in schlammigem Gras wälzen kann. Aber da sitzen wir und warten. Wir benehmen uns wie die Menschen des Dogen, damit wir sie vernichten können – und werden in Wahrheit wie sie. Wie ist das möglich, Beauté?«
Beauty lächelte, als er spürte, dass die Lebensgeister des alten Bären wiederkehrten, als er Dampf abließ.
»Es ist nicht nur möglich, sondern sogar unausweichlich, D’Ursu Magna. Wir alle werden so, wie wir uns verhalten. Es ist also wichtig, sich richtig zu verhalten.«
Der
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