Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
Vom Netzwerk:
mehr. Keine Leere – die Katakomben hier hatten seine Seele verschlungen, wie ein Abgrund ohne Boden. Und nun schreckliche Gerüchte vom Licht …
    Vielleicht würde Joshua die Angestöpselten, seine armen, verirrten Kinder, einfach töten. Kerzenflamm hoffte im Innersten, dass das der Grund für die Rückkehr Der Schlange sein möge – denn wahre Ruhe bot nur der Tod. Nur er konnte von den Fesseln befreien, die ihn an seinen Körper banden, die sein Denken in den engen Schädel sperrten.
    Oder würde Die Schlange ihre Waisen in die Festung zurückbringen und sie wieder anschließen? Konnte Kerzenflamm hoffen, noch einmal die Vereinigung zu erleben, mit der Königin und all den anderen zusammengeschaltet zu sein. Sein Mund wurde trocken, wenn er nur daran dachte. Wenn man ihn nun vor die Wahl stellen würde? Gezwungen, zwischen der Freiheit, seinem eigenen Sinn hier unten in den Höhlen zu folgen, gleichgültig, wohin, oder sich dem Schaltkreis anzuschließen, gefangen zu liegen, nackt, gedemütigt – und ekstatisch zugleich.
    Er schämte sich zutiefst, weil er wusste, dass er mit verzweifeltem Sehnen den Anschluss wählen würde.
    Vielleicht war aber Die Schlange nur hier, um diese Fragen aufzuwerfen, um ihre Kinder zu zwingen, mit ihrem Leben ins reine zu kommen, zu handeln.
    Kerzenflamm weinte still und hieb mit den Fäusten an die Wand der schwarzen Höhle.
     
    Schwarzwind hetzte in die tiefste Höhle, die er kannte, und zwängte sich in die Blindspalte. Hier fühlte er sich sicher. Zusammengekauert in der dunkelsten, untersten, unzugänglichsten Ecke der Katakomben, konnte niemand an ihn heran, ohne ihn vorher aufzuschrecken. Nur wenige vermochten ihn überhaupt zu finden.
    Die Schlange! Was hatte das zu bedeuten? Er war fast mit Gewissheit deshalb in der Festung, um noch mehr Menschen aus der Vereinigung herauszureißen, damit noch mehr verlorene Seelen durch die Welt irrten.
    O Gott, den Himmel gesehen zu haben und dann in diese Wurmlöcher geschleudert worden zu sein …
    Und Rose! Sie hatte Rose geheißen, jene mit dem Anschluss am Hinterkopf, die er im Norden getroffen und dazu überredet hatte, in den Süden zu gehen. Rose, die mit Der Schlange zusammengewesen, als er die Menschen ausgestöpselt, Rose, die in den ersten Jahren Die Schlange begleitet hatte.
    Vielleicht war Die Schlange ihretwegen hier. Vielleicht wollte Joshua sie holen und mitnehmen. Vielleicht konnte Schwarzwind sich mit ihm einigen – ihm Rose dafür geben, dass er wieder angeschlossen wurde oder wenigstens die Chance bekam, in Gnaden wieder von der Königin aufgenommen zu werden.
    Ja, das war die Lösung. Er würde sich mit ihm einigen. Er stieß tief im Felsspalt ein heiseres, flüsterndes Lachen aus, aber bald wurde daraus ein Weinen, das nicht mehr aufhören wollte, Tränen der Trostlosigkeit um etwas, das einmal gewesen war und nie mehr sein konnte. Sein Schluchzen hallte wider vom Fels, seine tiefliegenden Augen spiegelten die Schwärze der Grabgewölbe wider, in denen er sein Leben zubringen musste.
     
    Sternekern starrte in die Glut des lodernden Herdfeuers, das Gesicht vor Hitze und innerer Qual gerötet. Sein Blick, ja seine Seele bohrte sich in das rotglühende Innere.
    Komm, Schlange, dachte er. Komm, o du lebensvolles, vom Tod nichts wissendes Kabel. Komm zu uns und mach uns frei.
    Sein Herz schlug wie rasend, seine Atemzüge rasselten. Aus dem Mundwinkel rann Speichel.
    Komm, ich bitte dich, raste es in seinem Kopf. Sauge an meinem schwellenden Gehirn und überflute mich mit deinem brennenden Gift, Schlange! Du bist erschienen, um uns zu erlösen. Ich gehöre dir.
    Sternekern rief eine Stunde später in der großen Versammlungshöhle alle Angestöpselten zu sich. Er erzählte ihnen, dass Die Schlange in die Stadt ohne Namen zurückgekehrt sei. Ungläubigkeit, Empörung, Ohnmachten, Schluchzen, Ekstase. Selbst die dunklen Katakomben schienen die schweren Lider zu heben und in ihren Tiefen unheilvoll zu grollen.
    Nur die Neue, Rose, genannt Windlicht, saß stumm in einer dunklen Ecke, vergoss die dürren Tränen der Schuld und wand sich in der Hitze bezähmter Leidenschaft.

 
Kapitel 9
     
    Kürze und Untertreibung des
    Katzengeistes
     
    I sis zuckte mit den Ohren, öffnete die Augen, hob die Nase. Da war etwas. Was? Ein Geräusch? Nein. Ein Geruch. Nun, beinahe ein Geruch. Ein Etwas. Joshua. Es war Joshua. Sie stand hastig auf, schnupperte in alle Windrichtungen. Ihre Augenspalten weiteten sich.
    Nach einer

Weitere Kostenlose Bücher