Neue Zeit und Welt
Kopf.
»Das haben wir versucht. Über allen Zugängen zur Stadt sind elektrisch geladene Gitter angebracht.«
»Nur an unserem geheimen Tunnel nicht«, sagte Sternekern.
Jasmine war betroffen.
»Das ist etwas Neues. Nach unserem letzten Eindringen muss man klüger geworden sein.« Sie hatte aber schon befürchtet, dass zusätzliche Abwehrmaßnahmen getroffen worden sein könnten, und war froh darüber, sich nun auszukennen.
Sternekern nickte.
»Für euch ist es also auch nicht so einfach. Und nun geht es um Die Schlange. Woher wisst ihr überhaupt, dass die Person, die ihr sucht, wirklich Die Schlange ist?«
»Ich weiß nur, dass es sich um meinen Freund Josh handelt. Er war es, der vor fünf Jahren seine Familie in der Festung aus der Gefangenschaft befreit hat, wobei er gleichzeitig nicht nur seine Freundin Rose, sondern auch möglichst viele Menschen von den Anschlusskabeln befreite und ihnen den Weg über den Schacht zu den Tunnels zeigte.«
Schwarzwind zuckte zusammen, als er den Namen Rose hörte, sagte aber nichts.
»Es ist Die Schlange«, flüsterte Kerzenflamm. Seine Augen trübten sich.
»Und selbst wenn er es ist«, sagte Sternekern, »wissen wir immer noch nicht, ob er sich wirklich in der Stadt befindet.«
»Doch, das wissen wir«, sagte Paula plötzlich. »Ich habe ihn gesehen.«
»Du hast ihn gesehen?« sagte Schwarzwind ungläubig. »Du?«
Jasmine sah Paula argwöhnisch an, weil sie davon bislang nichts erwähnt hatte. Auch Ollie merkte auf, zeigte das aber nicht. Er saß so weit abseits im Schatten, wie die Höflichkeit das erlaubte, und prägte sich genau ein, wer was sagte, wer als Freund einzustufen sein würde und wer nicht.
Paula berichtete nun davon, dass sie Joshs Entführung in Ma’Gas’ beobachtet hatte, sprach von der Verfolgung des Piratenschiffes gemeinsam mit Michael und Ellen und von der Verbringung der Gefangenen in die Stadt ohne Namen.
Jasmines Augen funkelten.
»Dann ist er also wirklich in der Stadt?«
»Er ist in der Stadt«, wiederholte Schwarzwind dumpf.
»Ihr müsst unsere Empfindungen verstehen, was Die Schlange betrifft«, sagte Sternekern zu Jasmine. »Die meisten von uns haben ihn niemals zu Gesicht bekommen. Wir haben besondere Gefühle für ihn – Furcht, Liebe, Hass, alles zugleich. Wir verfluchen und verehren ihn. Die Tatsache seiner Rückkehr in die Stadt wird auf unsere Gemeinschaft große Auswirkung haben. Wohin das führen mag, kann ich nicht sagen.«
»Wir müssen ihn retten«, sagte Kerzenflamm.
»Vielleicht«, gab Sternekern zurück. »Das muss von allen diskutiert werden.«
Ollie meldete sich zum ersten Mal zu Wort.
»Mit oder ohne euch – wir werden ihn retten.«
»Was auch die Angestöpselten entscheiden werden«, sagte David zu seinen Leuten, »wir fassen unseren eigenen Entschluss. Es wäre nicht gut, irgend etwas zu übereilen. Der Erfolg ist gesichert, wenn wir alles gut vorbereiten.« Er sah Jasmine an. »Es dürfte sich für niemand empfehlen, überstürzt vorzugehen.«
»Du redest recht groß daher, Freund«, sagte Michael spöttisch.
»Wenn es an der Zeit ist, dann handle ich auch«, erwiderte David ruhig.
»Das werden wir ja sehen«, murmelte Michael. Paula stand auf, um die Sticheleien zu beenden.
»Wir gehen jetzt. Sagt euren Leuten Bescheid und gebt uns bekannt, wozu ihr euch entschlossen habt. Wir warten das ab.«
Kerzenflamm kehrte in seine eigene Höhle zurück, setzte sich ins Dunkel und dachte nach.
Die Schlange war zurückgekehrt.
Wichtige Ereignisse standen bevor.
Niemand konnte sagen, wie es weitergehen würde, aber soviel stand jetzt schon fest: Vielleicht würde Die Schlange sie in irgendeiner Beziehung erlösen, ihnen Befreiung verschaffen, wie sie es schon einmal getan hatte – sie befreien aus diesem Dahinvegetieren, diesem Gespensterdasein.
Das waren sie, Gespenster ihrer eigenen Vergangenheit, des Bewusstseins, in das sie sich einmal geteilt hatten. Halblebendige Schatten. Er konnte nicht mehr so klar denken wie früher bei der Vereinigung; seine Gefühle waren nicht mehr so dicht und komplex, seine Wahrnehmungen schattenhafter. Er kam sich vor wie eine niedrigere Lebensform; Algen an einem Höhlenboden.
Welche Erleichterung, davon befreit zu werden. Aber wie wollte Die Schlange das anstellen? Die Festung zerstören, vielleicht, und mit ihr die Kabel, damit aber auch die Hoffnung, je wieder zusammengeschlossen zu werden. Ohne Hoffnung konnte es keine Trauer geben, kein Warten, keine Qual
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