Neue Zeit und Welt
Die kleine Katze sprang auf den Schoß der Frau, rollte sich zusammen und begann die Rückseite der linken Vorderpfote zu putzen, auf eine Art, die sie als würdig und vornehm genug empfand, um der fremden Frau im Stuhl den Eindruck zu vermitteln, sie könnte sich geehrt dadurch fühlen, dass Isis sich gerade ihren Schoß als Ruheplatz ausgesucht hatte.
Isis beschloss, hier auf Josh zu warten, ohne Dramatik, ohne Übertreibung, ohne ihre wahren Gefühle auch nur im mindesten zu verraten; sie wollte warten wie eben eine – Katze.
Die Königin blickte erstaunt auf das kleine Pelztier auf ihrem Schoß, das so unvermittelt aufgetaucht war. Sie streichelte Isis ein paar Mal über den Kopf und lächelte. Isis beachtete sie nicht.
»Guten Tag, Kätzchen. Welchem Ereignis verdanke ich diese Ehre? Und wo kommst du überhaupt her? So, wie du aussiehst, aus den Kanälen. Na, dann geh und bade dich erst einmal tüchtig, das kannst du gut vertragen, wir sehen das, wir sehen das, an deinem Geruch, Fischgeruch. Eine Tunnelkatze in den Gemächern der Königin, ein Fortschritt für jemanden wie dich, das nenne ich Katzenglück, am eigenen Schoß aus dem Sumpf, wie du siehst.«
Isis widmete ihr keine Beachtung und leckte weiter ihre Pfote.
»Was treibst du mit mir, ein Katz-und-Maus-Spiel, wie? Hat die Katze deine Zunge verschluckt, du kleiner, schlimmer Rattenfänger?«
Isis leckte der Königin einmal übers Bein, fast zufällig beim Putzen der Pfote, dann hob sie das Vorderbein, ohne die Königin eines Blickes zu würdigen, und begann gründlich die Unterseite zu putzen.
Die Königin war kurz verschnupft, aber auch gleich wieder besänftigt.
»Nun, dann mach dich sauber, Rattenkatze. Ich lasse dich von meinen sterilen Neurowesen gleich richtig saubermachen, kleines Ding, freches Ding, du wimmelst gewiss von Bakterien. Nach einem so übel riechenden Besuch muss ich mich wohl dekontaminieren lassen – aber nicht deseminieren, nein, das nicht, ganz schlicht. Ah, du hast nichts dagegen, wenn ich dich dort kraule, wie? So. Ich brauche jetzt etwas zum Trost – etwas ganz Weiches, das ich berühren kann. Das hast du aber doch wohl gewusst, sonst wärst du nicht gekommen. Das sind gewiss die Plazentahormone, die strahle ich aus und habe dich hergelockt. Aber noch besser wäre, du könntest mit mir reden. Wir könnten gemeinsam die neue Welt planen, ich und du und Baby dazu, wie du siehst, wie du siehst.«
Isis ging nicht darauf ein und verfiel in Schlaf.
Kapitel 10
Die Stadt ohne Namen
B eauty, D’Ursu und Aba näherten sich der Zugbrücke über dem Wassergraben vor dem Außenwall der Stadt ohne Namen. Beauty konnte ein Schaudern nicht unterdrücken, dem Ort wieder so nah zu sein, aber D’Ursu schalt ihn halblaut aus und verlangte warnend, er möge normal atmen und den Geruch der Angst unter den Achseln fortwischen. Beauty fand seine Fassung rasch wieder.
D’Ursu selbst wirkte gelassen, wenn auch wachsam. Die Tage in der freien Natur hatten seinen Lebensgeistern gut getan. Aba gab sich nach außen hin gleichmütig, wenngleich die innere Erregung seinen Blick und das Gehör für jede Nuance schärften. Es hieß, dass hier eine Vampirkultur im Entstehen sei, die das künftige Schicksal der Vampire gestalten werde. Aba wollte herausfinden, was diese Gerüchte in Wahrheit zu besagen hatten. Und dazu gab es noch den anderen Grund, der ihn hierher geführt hatte – die Suche nach Lons letzter Lektion.
Er ging hinter D’Ursu zum Tor, Beauty befand sich ein wenig seitlich von ihnen. An einem Gebüsch vor dem Tor fiel Aba etwas auf. Er legte unauffällig die Hand auf D’Ursus Rücken – ganz leicht und nur kurz, um den Bären aufmerksam zu machen.
»Immer gemächlich, Bär. Wir werden vom Gebüsch aus beobachtet.«
Plötzlich sprang ein dreiköpfiger Zerberus aus dem Gebüsch und versperrte ihnen den Weg. Seine Ohren zuckten, aus dem Maul rann Speichel. Er duckte sich zum Sprung und knurrte böse. Die drei Pilger entblößten in ritueller Unterwerfung ihre Hälse. D’Ursu trat einen Schritt vor.
»Wir sind Sendboten von Jarl, dem Bärenkönig, und erbitten eine Audienz bei eurer Königin.«
Die drei Zerberusköpfe knurrten lauter. D’Ursu trat einen Riesenschritt vor und ließ die Tatze verkehrt an einen Schädel des Tieres krachen, dass es drei Meter zurückflog und auf dem Hinterteil landete.
»Freches Hundevieh«, fauchte D’Ursu. »Du hast wohl nicht verstanden? Ich habe Jarls Namen erwähnt. Hol deinen
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