Neue Zeit und Welt
dieser Höhlen, die unendliche Leere, überwältigte sie manchmal.
Jasmine blieb stumm und beschränkte sich auf das Schauen. Ollie zog die Flöte aus dem Gürtel und begann zu spielen. Die sehnsüchtige Melodie wanderte an den Höhlenwänden von Nische zu Spalte, bis sie unten über dem Wasser schwebte, wo die Kerzenflammen dazu tanzten. Die drei Menschen schlossen die Augen und wurden davongetragen in ein ewiges, imaginäres Land von Versunkenheit und Träumen, wohin niemand folgen konnte.
Fünf Gestalten standen vor der steinernen Tür zu dem Katakombenbereich, den die Angestöpselten bewohnten: Jasmine, Ollie, Paula, David und Michael. Sie tauschten besorgte Blicke. Die Tür im Gestein ging auf. Sie traten ein.
Sie wurden stumm durch ein Gewirr von Tunnels in einen kleinen warmen Raum geführt, auf dessen Boden Polster lagen. Sie setzten sich und warteten. Diese Höhlen kannten das Warten und andere ebenso unbefriedigende Dinge.
Schließlich kamen drei Angestöpselte herein, verbeugten sich knapp, verflochten die Finger zum Anschlusszeichen und setzten sich. Einer davon war Kerzenflamm, Paulas Freund, der 9-polige; der zweite Sternekern, ein 3-Poliger, der zum Führungskreis gehörte, der dritte Schwarzwind, ein 27-poliger Flüchtling, dessen Gesicht so düster und hohl war wie sein Name.
Paula ergriff das Wort.
»Das sind Fahrende aus dem Norden. Jasmine und Ollie. Kerzenflamm, Schwarzwind, Sternekern.«
Alle nickten.
»Sie sind hier, um in die Stadt ohne Namen einzudringen und einen Freund zu retten, von dem sie glauben, er sei jetzt dort«, fuhr Paula fort. »Ein Freund, der … uns alle interessiert.«
»Euch vielleicht, nicht mich«, flüsterte Schwarzwind. Er sprach nie lauter.
»Sei still, Schwarzwind«, sagte Kerzenflamm. »Sprich weiter, Paula, wer ist es, den sie suchen?«
David kam Paula mit einem schiefen Lächeln zuvor.
»Die Schlange. Eure Schlange, die euch ausgestöpselt hat, ist wieder in der Stadt.«
»Lügner!« zischte Schwarzwind. Seine Augen schienen noch tiefer in ihre Höhlen unter der Stirn zu sinken.
»Was behauptest du da?« fuhr ihn Sternekern an.
»Blasphemie!« Schwarzwind sprang auf und trat einen Schritt auf David zu, der die Fäuste geballt hatte.
Michael trat hastig dazwischen.
»Er meint, wir hätten vielleicht alle Grund, den Schleier um die Stadt jetzt zu zerreißen. Vielleicht gibt das den Ausschlag.
Vielleicht können wir uns zusammenschließen und gemeinsam in den Kampf ziehen.«
»Wenn Angestöpselte in die Bucherei kommen, geht alles kaputt«, fauchte David.
Jasmine meldete sich mit ruhiger Stimme, so dass sich alle wieder hinsetzten.
»Bitte, ich möchte unter euch keinen Streit hervorrufen. Unsere Absicht hier ist klar und ganz privater Art. Mein Freund Joshua – übrigens Ollies Bruder – wird durch gewaltige Kräfte gegen seinen Willen in die Stadt ohne Namen gezogen. Er wird wohl schon dort sein. Wir haben die Absicht, durch die Tunnels in die Stadt einzudringen, ihn zu befreien und uns dann wieder zurückzuziehen. Wir können eure Hilfe gebrauchen, kommen aber auch ohne sie aus.« Sie konnte erkennen, dass sie in eine Allianz von delikatestem Gleichgewicht geraten war, und wollte vermeiden, sich auf eine der beiden Seiten schlagen zu müssen. Vor allen durfte es nicht dazu kommen, dass die eine Partei ihr Vorhaben unterstützte und die andere ihr Steine in den Weg zu legen versuchte.
Es blieb lange still, während man nachdachte. Schließlich ergriff Sternekern das Wort.
»So einfach ist das leider nicht. Ich möchte dir einige Punkte unseres Daseins hier erklären, Jasmine. Darf ich Jasmine zu dir sagen? Gut, es sieht also so aus: Unsere Genossen in der Bucherei wollen in die Stadt eindringen und sie zerstören – durch List, weil sie nicht in der Lage sind, rohe Gewalt anzuwenden. Wir Angestöpselten stehen dem mit gemischten Gefühlen gegenüber und haben zunächst einmal gegen dieses Unternehmen gestimmt. Es gibt nur einen einzigen Tunnel, der von hier aus zum Inneren der Festung führt, und wir halten ihn vor jedermann geheim, auch vor den Büchern.«
»Aber man kann ganz leicht hingelangen«, erwiderte Jasmine. »Man lässt sich den Stickfluss hinuntertreiben und folgt irgendeinem der Zuflüsse, die zu den Tunnels unter der Stadt führen. Oder man kann durch den Ausgang der Tunnels in der Klippe unterhalb der Stadt eindringen, wo das Wasser hinausströmt. So sind wir das letzte Mal hineingelangt.«
Paula schüttelte den
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