Neue Zeit und Welt
den jungen Sire blenden«, schnaubte Ugo.
»Dem ganzen liegt eine Verschwörung in der Festung zugrunde«, fauchte Ninjus. »Ihr werdet schon sehen! Diese Umgehung der Abwehrmaßnahmen …«
»Unsinn«, sagte Fleur. »Ihr seht überall Verschwörer am Werk.«
»Wollt Ihr bestreiten …?«
»Ich bestreite gar nichts. Verstärkt die Abwehr, entlarvt Eure Verräter, tut, was Ihr für richtig haltet. Wir haben, was mich angeht, nur ein Problem.«
»Nämlich?«
»Das Kind der Königin, versteht sich. Ob diese anderen Dinge zusammenhängen oder nicht – das Auftauchen des Menschen, das Eindringen von ein paar armseligen Saboteuren, eine diplomatische Abordnung, die echt sein mag oder nicht – mit diesen Dingen ist leicht fertigzuwerden, man kann sie rasch vergessen. Es handelt sich um Nebensächlichkeiten. Viel zu unwichtig, um bei dem, was wir mit Hilfe unserer Königin in den folgenden fünf Jahren erreichen wollen, eine Rolle zu spielen. Aber dieses Kind … das ist eine unbekannte Größe. Wir wissen nicht, was es sein wird, wie es denkt, wie es sich auf den Willen der Königin auswirken wird, unsere Ziele zu fördern. Und wir könnten in Zukunft weniger Einfluss auf die Königin haben als bisher. Wir wissen nicht, welche Nahrungsbedürfnisse das Kind haben wird. Wir stehen so kurz davor, eine totale Kontrolle über diesen Sektor zu erreichen – wir können nicht zulassen, dass neue, ungesteuerte Genotypen jetzt in die Genmasse gelangen. Ich sage euch klipp und klar, es gibt nur ein einziges ernsthaftes Problem: Dieses Kind darf nicht sein!« Es wurde still. Die anderen nickten.
Unmittelbar nachdem sie das Stadttor hinter sich hatten, gingen D’Ursu, Aba, Beauty und Ollie auf dem Klippenpfad nach Süden, fanden D’Ursus Boot im Südhafen immer noch vor Anker und segelten damit zuerst nach Norden und dann nach Westen, um argwöhnischen Augen in der Festung das Erwartete zu bieten. Im Dunkeln wendeten sie wieder nach Süden, und Ollie führte sie unter einigen Schwierigkeiten zu den Höhlen der Buchleute.
Es folgten zwei Tage lang Festlichkeiten. Die Wiedervereinigung von Jasmine, Beauty, Ollie und Rose nach all dem Furchtbaren der vorangegangenen Nächte war genau die Gemeinsamkeit, um die man sich zu scharen und woran man sich zu wärmen vermochte.
Beauty und Rose blieben am ersten Tag mehr oder weniger für sich – sie hatten viel zu bereden. Rose weinte viel – weil sie ihrem geliebten Zentauren solche Qualen bereitet und sich durch ihre Flucht ihm so unerbittlich entzogen, weil sie Empfindungen hatte, die er nicht verstehen konnte.
Beauty fühlte sich verwirrt und enttäuscht. Seit Schwarzwind tot war, fehlte diese Zielscheibe für seinen Zorn, und der Zentaur stand mit einer hilflosen, leeren Liebe für Rose allein – die Liebe, die er schon immer empfunden hatte, die nun aber gefährdet war durch das Gefühl der Verlassenheit. Er war schmerzvoll froh, sie wieder zu sehen, aber nachdem er erfahren hatte, dass sie wirklich aus freien Stücken fortgegangen war, lastete sein Herz schwer in ihm. Er konnte nicht anders, als ihr Gutes zu wünschen, aber für sich selbst fand er keine Richtung. Trotzdem blieb er die ganze Zeit über im Gleichgewicht, und zumindest unter den Zentauren wusste man, dass Gleichgewicht ohne Richtung immer noch besser war als Richtung ohne Gleichgewicht.
Ollie stand Rose keineswegs so selbstlos gegenüber und beachtete sie die meiste Zeit nicht.
Rose wünschte sich, ihm die Wirrnisse der eigenen Seele erklären zu können – ihr Sehnen, ihre düsteren Ängste, ihr dumpfes Dasein, dunkle Schatten, im Licht der Vereinigung deutlich hervortretend. Sie konnte ihre Gefühle nicht mehr auseinander halten, wurde mit der Welt nicht mehr fertig.
Am Morgen des zweiten Tages kam Kerzenflamm zu ihr.
»Komm zu mir«, sagte er. Er griff nach einem eineinhalb Meter langen Kabel und schloss es bei sich und Rose an. Sie erbebten kurz, stürzten beinahe hin, dann gingen sie im Gleichschritt, wie Bild und Spiegelbild, in die Dunkelheit hinein.
Sofort nach dem Anschluss verspürte Rose ein Prickeln, als steige das Blut in ihrem Körper empor. Sie ging neben Kerzenflamm her und hatte das Gefühl, in ihm zu stecken; sie sah mit seinen Augen, erfühlte den Boden mit seinen Füßen. Ihre Sinne waren eins, sie verharrten im inneren Gleichklang. In einer dunklen Höhle legten sie sich auf den Boden.
In einem schwarzen Volumen, das in sich selbst gekrümmt war, zuckten Blitze auf wie ferne,
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