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Neues Glück für Gisela

Neues Glück für Gisela

Titel: Neues Glück für Gisela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Stranden einen gemütlichen Schwatz im Büro, bei einer Schale Äpfel und Birnen.
    „Glücklicherweise haben Sie unseren Weg gerade im Herbst gekreuzt“, sagte Willi. „Da haben wir doch etwas zu bieten.“
    „Ist es denn notwendig, daß man immer etwas zu bieten hat?“ lächelte Gisela und setzte ihre Zähne in einen frischen, rotbackigen Cox-Orange-Apfel.
    „Nicht notwendig, aber doch sehr nett“, sagte Willi. „Und ehrlich gesprochen, wenn man einen so lieben Gast hat wie Sie…“ Er lächelte sie an und fügte rasch hinzu: „Mißverstehen Sie mich nicht, Fräulein Ryssel, es ist nicht nur auf Grund Ihrer Geschenke, daß Sie ein lieber Gast sind. Das würden Sie auch sonst sein.“
    „Trop des fleurs“, lächelte sie und errötete und biß sich auf die Lippen. Es war nicht ihre Absicht, sich mit ihren französischen Sprachkenntnissen großzutun, es glitt ihr nur so über die Lippen. Sie hätte ja auch „zu viele Blumen“ sagen können.
    „Mais non, Madame“, lachte Willi. „Wissen Sie, im Grunde muß ich mir ja selbst zu dem Stubenarrest gratulieren, den der bedauernswerte Rolf an dem berühmten Kinotag erdulden mußte. Erinnern Sie sich noch, daß Sie mich fressen wollten?“
    Gisela errötete abermals. „Sich denken, daß das noch nicht einmal einen Monat her ist“, fügte sie nachdenklich hinzu. „Mir ist als… als ob wir einander schon jahrelang gekannt hätten.“
    „Geht es Ihnen auch so? Ich habe dasselbe Gefühl. Und Ihre Begriffe von den armen Heimkindern, die haben Sie wohl jetzt auch korrigiert?“
    „Ja“, lachte Gisela, aber dann wurde sie ernst.
    „Sie sind schlimm, mich so zu necken“, sagte sie, „aber versuchen Sie mal, es mit meinen Augen zu sehen, den Augen, die ich damals hatte.“
    „Ich sehe es als großen Vorteil an, daß Ihre Augen noch genauso aussehen wie damals“, meinte Willi, und wieder stieg die Röte in Giselas Wangen.
    „Lenken Sie nicht ab. Versuchen Sie, sich vorzustellen, wie ich es damals fühlte. Ich sah Rolf mit den geflickten Kleidern, ich sah seine Frühstücksbrote. Ja doch, ich weiß jetzt, daß sie gut schmecken, aber sie sehen nicht einladend aus. Ich bemerkte sein verschlossenes Wesen, er war oft direkt abweisend…“
    „Was er abwies, war bloß Mitleid“, versicherte Willi. „Rolf hat ein doppeltes Mitleid abzuweisen, denken Sie daran. Mitleid, weil er lahmt, und Mitleid, weil er ein Kind aus einem Knabenheim ist. Abweisend zu sein, ist seine Form der Verteidigung, verstehen Sie?“
    „Das weiß ich natürlich – jetzt“, sagte Gisela. „Oh, ich bin so viel, viel klüger geworden die letzten Wochen. Aber Sie haben mich unterbrochen. Ich hatte von diesen armen Jungen hier gehört. Man sah sie ständig im Garten arbeiten. ,Die Ärmsten haben nie eine Freizeit’, sagte Frau Nielsen in dem Laden, wo ich einkaufe. Dann kam diese Geschichte mit dem Stubenarrest. Verstehen Sie nicht, daß der Eindruck, den ich gewinnen mußte, recht einseitig war?“
    „Ja“, sagte Willi, und nun war er ernst. „Ich verstehe es, und zum Teil ist es richtig. Das mit der einfachen Kost und den geflickten Kleidern läßt sich nicht wegerklären. Aber die Gartenarbeit ist in hohem Grade freiwillig, und der Stubenarrest hat seine logische Erklärung. Was die Kost angeht, hätte ich Lust, Ihnen zu zeigen, wie ich die Ernährung anlege. Interessiert es Sie?“
    „Na, und ob!“
    Willi öffnete eine Schreibtischschublade und nahm einige beschriebene Bogen heraus.
    „Diese Zusammenstellung“, sagte er und wies auf die Liste, „ist kurz und konzentriert und sieht nicht besonders imponierend aus. Aber ich kann Ihnen sagen, da steckt Arbeit dahinter! Sehen Sie, hier habe ich den Vitamin- und Kaloriengehalt der meisten gebräuchlichen Lebensmittel aufgeschrieben. Hier habe ich, auf der Grundlage der Kalorientabelle, vollwertige Mahlzeiten für möglichst wenig Geld zusammengestellt. Ich habe Ernährungslehre studiert, und der Himmel mag wissen, was noch alles, und mich tüchtig mit der Köchin herumgeschlagen, ehe ich sie dazu bekam, sich dafür zu interessieren. Jetzt klappt es, denn jetzt versteht sie endlich, daß doch ein Sinn und Zweck für das vorhanden ist, was ich von ihr verlange. Jedes Gramm Nahrung soll ausgenützt werden, das ist die Devise. Daher werden die Gemüse in Dampf gekocht, falls wir sie nicht roh essen, daher werden die Kartoffeln mit der Schale gekocht, daher werden alle Reste aufbewahrt und verbraucht.
    Aus den Brotkrusten wird

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