Neues Glück für Gisela
Stielaugen. Sie beguckten und beschnüffelten die goldenen Ananas- und Pfirsichstücke, ehe sie sie in den Mund steckten.
Den Kleinsten fielen allmählich die Augen zu. So begab sich also Gisela an ihre Kindermädchenpflichten. Ein paar der größeren Jungen halfen ihr, und es ging ganz leicht, sogar ohne Widerspruch, die Kleinen ins Bett zu bekommen. Da schliefen sie nun selig mit Teddybären und ausgestopften Hunden und Katzen im Arm und mit vor Freude heißen, roten Wangen.
Dann wurde es still in dem großen Haus.
Die Jungen hatten „Gute Nacht“ gesagt und waren in die Schlafsäle gegangen. Nun waren Gisela und Willi allein im Zimmer beim Weihnachtsbaum.
Gisela war müde. Aber sie wollte den Abend ausdehnen, ihn bis zur letzten Faser genießen, sie fand einen Vorwand, sich noch eine Stunde abzustehlen.
„Willi, was meinst du, soll ich in die Küche gehen und uns eine Tasse Kaffee machen? Und dann bewilligen wir uns eine Zigarette. Findest du nicht, daß wir das brauchen können?“
„Doch ja, tu das, Gisela.“
Als sie mit dem Kaffeetablett hereinkam, fand sie ihn vor dem Christbaum stehen. Überall waren Spuren von Giselas Wirksamkeit. Die großen Jungen hatten ihre Geschenke auf den Tischen hübsch ordentlich liegen lassen, jedes mit Namen versehen. „Na, Willi, so in Gedanken?“
Er drehte sich zu ihr um.
„Ja, gewissermaßen. Ich denke darüber nach“, er unterbrach sich, um die Tasse entgegenzunehmen, die sie ihm reichte. „Ich denke darüber nach, womit in aller Welt wir dies verdient haben, Gisela.“
„Was du für Blödsinn redest. Hier, nimm eine Zigarette.“
Sie hielt ihm ihr Etui hin, es war aus Gold mit einem Saphir als Schloß. Er nahm die Hand mit dem Etui und sah es lange an.
„Siehst du, Gisela, ist nicht diese Handlung geradezu symbolisch? Alles, was ich mir selber nicht schaffen kann, das reichst du mir gebefreudig aus einem goldenen Etui.“
„Was soll man wohl auf so etwas antworten, Willi?“
„Nichts. Du brauchst nichts zu antworten, wenn ich nur eine Tatsache feststelle.“
Gisela bekam Feuer für ihre Zigarette und nippte am Kaffee.
„Fällt es dir niemals ein, daß du mehr gegeben hast, als ich jemals vergelten kann?“
„Was ich gegeben habe, nicht dir, sondern den Jungen, sind nur tote Dinge. Dinge, die man für Geld kaufen kann. Was du mir gegeben hast, ist eine Aufgabe im Leben und ein Dasein mit Inhalt. Und die Jungen haben mir ihre Freundschaft geschenkt. Gibt es wohl etwas Wertvolleres als so eine ehrliche Freundschaft mit einem zwölf-, vierzehnjährigen Buben? Und die Kleinen haben mir… ja, ich kann beinahe sagen, daß sie mir ihre Liebe geschenkt haben. Also, Willi, verstehst du nicht, daß ich es bin, die dankbar sein muß?“ Er sah sie lange an.
„Doch ja, ich verstehe deinen Gedankengang, Gisela. Aber siehst du, Siebeneichen kam dir vielleicht gerade in den Weg, als du eine Ausfüllung deines Daseins brauchtest. Du hattest vielleicht gerade ein…“, er suchte nach Worten und fand zum Schluß eins, „… eine Sendepause.“
„Nein, Willi, da irrst du dich. Die Leere in meinem Leben war konstant. Und ich brauchte Siebeneichen und… dich.“ Willi schüttelte den Kopf.
„Das geht weit über meine Begriffe. Ich finde, dein Dasein muß doch lauter Sonnenschein gewesen sein, du mit deinem Wohlstand, deiner Familie, deinen…“
„Ja, aber das war es eben nicht.“ Er sah sie forschend an.
„Wer wird aus Frauen klug?“ murmelte er. Dann leerte er seine Tasse, drückte die Zigarette aus und schaute auf die Uhr.
„Jetzt müssen wir wohl Schluß machen“, sagte er ablenkend, und seine Stimme klang angestrengt alltäglich. „Morgen ist wieder ein Tag.“
Zwölf Paar Skier
Gisela hatte allerhand um den Kopf in den nächsten Tagen. Eine Schar Kleinkinder zwischen zwei und sechs Jahren kann einem schon in Atem halten, das merkte sie.
Aber sie fühlte sich glücklich bei diesem Schaffen, und ihre Geduld kannte keine Grenzen. Sie wusch die kleinen Kinderkörperchen und kleidete sie an. Sie fühlte die gute, friedliche Atmosphäre schlafender, wohlgepflegter, gesunder, sauberer Kinder. Manchmal stand sie da und schaute auf die Köpfchen in den kleinen Betten, und sie dachte daran, welches Schicksal sie wohl erwartete, diese heimatlosen, elternlosen Kinder, deren Kommen in die Welt so unerwünscht gewesen war.
In einem solchen Augenblick fand Willi sie. Sie machte ihren Gedanken ihm gegenüber Luft.
„Sicher“, sagte Willi.
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