Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity
seine Schwester überhaupt eine Mörderin sein könnte. Es musste sich um einen Irrtum handeln, beharrte er immer wieder. Der Verstand seiner Schwester hatte unter all dem Stress ausgesetzt, und sie war bestimmt nur ein Opfer ihres eigenen Derangements. Roches guter Freund Lefebre der Irrenarzt, ein anerkannter Experte auf diesem Gebiet, räumte ein, dass Menschen, die an mentalen Krankheiten litten, häufig außergewöhnliche oder unwahre Behauptungen von sich gaben oder wilde Geschichten, die einzig ihrer kranken Phantasie entsprungen waren.
Als er sah, dass seine Proteste dennoch nicht akzeptiert wurden, schlug Roche vor, dass er sich für sie verbürgen würde bis zur Gerichtsverhandlung, um die Einkerkerung zu vermeiden.
Der Vorschlag wurde aus praktischen Erwägungen abgelehnt. Christina Roche konnte nicht allein in Shore House gelassen werden mit niemandem außer ihrer Schwester Phoebe, die über sie wachte. Roche selbst konnte nicht in Shore House bleiben, weil seine geschäftlichen Verpflichtungen ihn daran hinderten. Auch konnte er Christina nicht mit nach London nehmen und bei sich in Chelsea einquartieren, weil dort jetzt Lucy wohnte. Ihr, der Christina Roche so übel mitgespielt hatte, nun zuzumuten, unter einem Dach mit ihrer Tante zu wohnen, kam überhaupt nicht in Frage.
Schließlich intervenierte der Chief Constable persönlich.
Man kam überein, dass Miss Roche bis zu ihrer Verhandlung im Heim des Gefängnisleiters auf dem Grundstück des Gefängnisses untergebracht werden sollte. Auf diese Weise würde sie von den gewöhnlichen weiblichen Gefangenen getrennt gehalten. Selbstverständlich ging dies nicht ohne entsprechende Kosten, doch diese zu begleichen war Charles Roche nur zu gerne bereit.
Er musste sich mit diesem Arrangement zufriedengeben, und der Gefängnisleiter und seine Frau waren ohne jeden Zweifel ebenfalls höchst zufrieden. Man würde sie stattlich entlohnen für drei schlecht zubereitete tägliche Mahlzeiten und ein Bett mit schmuddeligem Leinen.
Lizzie war bereits mit Lucy Craven nach London abgereist. Dr. Lefebre war ebenfalls in seine private Irrenanstalt zurückgekehrt und in seine ärztliche Praxis, und er hielt sich wohlweislich sehr bedeckt. Meiner Meinung nach war er uns eine ganze Reihe von Erklärungen schuldig geblieben.
Mit Hilfe von Superintendent Dunn unterbreitete ich dem Chief Commissioner of Police die Einzelheiten der ganzen Affäre. Mit seiner Billigung wandten wir uns anschließend an einen Richter, um einen Beschluss zu erwirken, in dem Mr. Charles Roche die Obhut über ein weibliches Neugeborenes mit gesetzlichem Namen Louisa Craven, gegenwärtiger Name unbekannt, übertragen wurde. Das Kind war mit großer Wahrscheinlichkeit im April des laufenden Jahres von einem Mann namens Jethro Brennan in die Obhut des Armenhauses von Whitechapel gegeben worden. Was Roche anging, er war so begierig darauf, Wiedergutmachung zu leisten für die Kette von Ereignissen, die er in unverantwortlicher Weise in Gang gesetzt hatte, dass er nun ungeduldig darauf hinfieberte, das Kind zu finden.
Ich hielt es für angemessen, Sergeant Morris mitzunehmen auf unserem Weg zu den Beamten der Gemeinde. Obwohl ich dienstlich vorsprechen würde und Mr. Roche im Besitz des richterlichen Beschlusseswar, gar nicht zu reden davon, dass wir das moralische Recht auf unserer Seite hatten (als würden Moral und Gesetz stets im Einklang stehen), ist eine drei Mann starke Partei für sich genommen ein gewichtiges Argument.
Das Armenhaus von Whitechapel lag damals mitten in Spitalfields, in der Vallance Road. Wir hatten bereits im Voraus Bescheid gegeben, dass wir auf dem Weg waren, doch die eigentliche Fahrt dorthin erwies sich als gefährliche Reise mit der Droschke. Ich bemerkte, dass die übervölkerten Straßen von Whitechapel für Charles Roche eine erschreckende Erfahrung darstellten. Ganz abgesehen von der drängenden Sorge, die ihm die Rückholung der Tochter seiner Nichte bereitete, schien er mit seiner Umgebung überhaupt nicht zurechtzukommen, und das, obwohl seine eigenen Vorfahren nicht weit von hier das Seidengeschäft der Familie gegründet hatten. Ich wusste, dass in einem Teil der drangvoll beengten Wohnungen noch immer Seidenweber arbeiteten, doch ihr Ausstoß betrug nur einen Bruchteil der einstigen Mengen, jetzt, nachdem die Herstellung in den großen Fabriken im Norden erfolgte.
In den Tagen von John Roche, dessen Porträt in Shore House über dem Kamin prangte, war
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