Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity
geschnüffelt hatten. Sie beobachteten uns aus hellen boshaften Augen.
Greenaway beugte sich auf seinem Bock zur Seite und sprach den Mann an.
»Nun dann, Jed Brennan, du bist also zurück in dieser Gegend! Ich habe erst vor ein paar Tagen gesagt, es wäre an der Zeit, dass du dich wieder mal blicken lässt!«
Der Mann trat zum Einspänner, und die Frau blieb am Straßenrand stehen und wartete mit gesenktem Kopf. Sie war eine arme, trübselige Gestalt. Trotz des warmen Wetters trug sie einen Plaidumhang über der Brust gekreuzt. Fettige dunkle Locken lugten unter einem breitkrempigen Filzhut hervor. Der Hut wurde auf die gleiche Weise von einem unter dem Kinn zusammengeknoteten Tuch gehalten, wie ich es bei Dr. Lefebre gesehen hatte, so dass die Seiten der Krempe flach an ihre Ohren gedrückt wurden. Der Rock war am Saum ein paar Zentimeter umgeschlagen und hochgesteckt worden, um ihn vor dem Staub und Schmutz der Straße zu schützen. Das ermöglichte mir zu erkennen, dass sie darunter schwere Männerstiefel trug, die verkrustet waren mit angetrocknetem Schmutz. Sie war diejenige, die sämtliche Besitztümer des merkwürdigen Paares in einem großen, schweren Weidenkorb trug, der mit zwei Riemen über ihren Schultern hing. Ich vermochte nicht zu sagen, ob sie meine strengen Blicke bemerkte oder nicht. Sie hielt den Blick die ganze Zeit über gesenkt. Das machte mich noch neugieriger und misstrauischer, so dass ich mich nach Kräften bemühte, mir ein genaueres Bild von ihr zu machen. Ich meinte, ein paar blaue Flecken zu entdecken, doch ich war mir nicht sicher. Was mir jedoch sehr deutlich auffiel, war die Müdigkeit, die ihr ganzes Verhalten auszudrücken schien. Es war jene Art von Erschöpfung, bei der man Angst hat, sich zu setzen, weil man nicht weiß, ob man hinterher noch einmal aufzustehen imstande ist.
Die Terrier kamen unserem Pony ein wenig zu nah und bellten. Das Pony schnaubte und warf den Kopf. Unser Einspänner wankte.
Der Mann herrschte die Hunde an, und sie wichen zurück. Der kurze Zwischenfall lenkte meine Aufmerksamkeit von der Frau auf ihn.
Er war ein stolz dreinblickender Bursche von vielleicht vierzig Jahren mit einer von Wind und Sonne gebräunten verwitterten Haut und überreichlichen schwarzen Locken. Er trug feste Arbeiterstiefel, doch ansonsten war er wesentlich besser gekleidet als die arme Frau – eine Art Schwerenöter in einem braunen Kordanzug mit einer Moleskin-Weste. Unglücklicherweise sah er darin aus wie ein großes, aufrecht gehendes Tier mit kurzem Fell. Um den Hals hatte er ein hellrotes Tuch geknotet. Er war auf raue Weise attraktiv. Von der Frau vermochte ich nicht zu sagen, ob sie jemals Schönheit besessen hatte. Falls ja, so war sie längst verblasst.
Brennan wandte sich dem Doktor und mir zu und zog schwungvoll den schrägen Hut. »Guten Tag, werte Herrschaften!«, sagte er mit einer leichten Verneigung.
Ich wurde allmählich ärgerlich, weil er mich für Adel zu halten schien, obwohl ich nicht dazugehörte – ich war die Tochter eines respektablen Arztes, nicht mehr und nicht weniger. Noch mehr als die Anrede missfiel mir die Art, wie er mich grüßte, denn sie grenzte ans Unverschämte. Seine schwarzen Augen blitzten spöttisch bei seinen Worten, und als sie auf mir ruhten, schienen sie begehrlich aufzuleuchten, was mir höchst zuwider war.
Sowohl Lefebre als auch ich nickten schweigend als Antwort auf seinen Gruß. Er setzte seinen Hut wieder auf und richtete seine Aufmerksamkeit einmal mehr auf Greenaway.
»Ich wollte bei deinen Ladys vorbeikommen. Vielleicht haben sie etwas für mich zu tun.«
»Ich sage ihnen Bescheid«, antwortete Greenaway knapp. Vielleicht war auch ihm die Unverschämtheit im Blick des anderen aufgefallen. Er schüttelte die Zügel, und das Pony trabte an. Wir zockelten davon und ließen Brennan und seine Frau zurück.
»Wer um alles in der Welt war dieser Mensch?«, fragte Lefebre, als wir außer Hörweite waren.
Greenaway drehte sich auf seinem Kutschbock um. »Das war Jed Brennan, Sir. Ein Rattenfänger, der durch das Land zieht. Er kommt so regelmäßig in dieser Gegend vorbei wie ein Friedensrichter und erscheint immer um die gleiche Jahreszeit. Ich glaube, er hat eine ständige Wohnung in London. Ich denke, er ist ein Kesselflickersohn und lieber auf der Straße als in einer Stadt mit einer festen Wohnung.«
»Ist er aufrichtig?«
»Warum fragen Sie, Sir? Selbstverständlich ist er das, falls Sie wissen wollen, ob er
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