Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity

Titel: Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
Vom Netzwerk:
flüchtigen Blick. »Und Miss Martin«, fügte sie hinzu.
    Sie hatte mir bereits einen Platz in der Ordnung der Dinge innerhalb des von ihr geführten Haushalts zugewiesen – und ließ mich das auch wissen. Dr. Lefebre war ein Gast. Ich war hergekommen, um hier zu arbeiten, auch wenn ich wie ein Mitglied der Familie lebte. Das Personal befürchtete insgeheim, ich könnte die Nase zu hoch tragen, und dieser Drachen hatte bereits eine unsichtbare Linie gezogen, die ich nicht zu überschreiten hatte. Jemand, der leichter zu beeindrucken war als ich, wäre bereits vor Ehrfurcht erstarrt. Ich bin aus anderem Holz geschnitzt.
    »Genau!«, stimmte ich fröhlich zu. »Ich bin die Gesellschaftsdame von Mrs. Craven.«
    »Das sind Sie, Miss«, erwiderte die Haushälterin mürrisch und trat beiseite, um uns einzulassen. »Ihren Hut und Gehstock, Sir?«
    Der Doktor händigte ihr beide Gegenstände widerstandslos aus. Sie wurden auf einem großen polierten Tisch abgelegt, der bereits mit anderen Objekten übersät war, darunter einem Kästchen für abgehende Briefe, einem silbernen Tablett für eingegangene Post undeinem kunstvollen orientalischen Brieföffner mit einer eigenartig schlangenförmigen Klinge.
    »Wenn Sie die Güte hätten, mir zu folgen – ich führe Sie zu den Ladys.« Die Haushälterin gestattete keine Trödelei.
    Das letzte Wort war unmerklich betont. Ich war keine »Lady« und sollte das bloß nicht vergessen. Auf dem Weg hierher hatte man uns zweimal für reisende Herrschaften gehalten, und ich empfand meinen plötzlichen gesellschaftlichen Absturz als amüsant. Ich warf einen Seitenblick zu Dr. Lefebre und bemerkte ein Grinsen auf seinem Gesicht. Ich nahm an, er hatte das Verhalten der Haushälterin ebenfalls bemerkt. Dem guten Doktor entging scheinbar nicht das kleinste Detail.
    Ein merkwürdiger Mann, dachte ich bei mir. Ich frage mich, was er wirklich hier macht?
    Wir folgten der Haushälterin und ließen unsere Taschen auf der Türschwelle stehen.
    Sie führte uns in einen geräumigen Salon. Das Mobiliar war von erlesener Qualität, doch größtenteils ein halbes Jahrhundert alt oder noch älter. Es zeigte die eleganten Linien und die Handwerkskunst vom Anfang des Jahrhunderts, als der gute alte King George noch gelebt und im Windsor Great Park mit dem Wind geredet hatte, während sein fetter, verschwendungssüchtiger Sohn ungeduldig darauf gewartet hatte, die Nachfolge anzutreten. Alles und jedes hatte jene weiche Patina von liebevoll gepflegten Dingen, und alles passte harmonisch zusammen, als wären die Gegenstände auf einmal gekauft worden und als hätten sie von Anfang an immer in den gleichen Räumen gestanden, in kleinen Gruppen wie alte Freunde. Aus alledem schloss ich, dass es sich um geerbtes Mobiliar handelte. Die Roche-Schwestern hatten keinen Grund und kein Interesse, neues, modisches Zeug zu erwerben. Ihre Eltern hatten dies vor über einem halben Jahrhundert getan, und die Ladys bewahrten die Auswahl ihrer Vorfahren in frommem Gedenken – oder vielleicht auch nur aus Gründen der Sparsamkeit.
    Die gotischen Fenster zeigten hinaus auf einen gepflegten Rasen mit weiteren Gruppen beschnittener Büsche, umsäumt auf allen Seiten von einer Hecke glänzender Lorbeersträucher. Die Sträucher am Ende des Grundstücks waren so weit heruntergeschnitten, dass sie einen Ausblick auf den Kiesstrand ermöglichten. Dahinter lag – ich vermochte einen entzückten Ausruf nicht zu unterdrücken – das Meer, glitzernd und funkelnd und blau wie Türkis im Sonnenschein. Jetzt verstand ich die Wahl dieses einsamen Fleckens, um darauf einen Landsitz zu errichten. Was für eine Aussicht! Ich musste mich gewaltsam von dem Anblick losreißen und mich auf das Zusammentreffen mit den Bewohnern des Hauses konzentrieren.
    Man kann sich vorstellen, wie neugierig ich auf Mrs. Craven war, doch sie befand sich nicht im Raum. Anwesend waren zwei ältere Damen, die auf den ersten Blick als Schwestern zu erkennen waren. Wie das Mobiliar gehörten sie zusammen, und das schon seit frühester Kindheit. Sie hatten zwar die moderne Mode des Reifrocks für sich angenommen, doch wie das Mobiliar entstammten sie irgendwie einer anderen Epoche.
    Ich schätzte beide jünger ein als ihren Bruder, Mr. Roche. Sie waren zwar großgewachsen wie er, doch im Gegensatz zu ihm von schlanker Gestalt. Auf den ersten Blick hätte man sie für Zwillinge halten können, denn sie trugen identische Kleider, ein Schottenmuster in

Weitere Kostenlose Bücher