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Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity

Titel: Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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harmloses junges Ding, Ben. Warum sehen die Menschen nicht, dass es nur die Sehnsucht nach ihrem Mann und die Trauer um das Baby sind, die dafür verantwortlich sind, dass sie sich von Zeit zu Zeit eigenartig verhält? Wer würde das nicht?«
    »Niemand sonst also?«, fragte Ben ohne jeden Kommentar bezüglich meiner Verteidigung Lucys.
    »Nein. Aber warte! An jenem Morgen, vor der Entdeckung von Brennans Leiche, war jemand auf dem Friedhof, als Lucy und ich beim Grab standen! Es gibt eine große Eibe mit ausladender Krone ganz in der Nähe, und jemand hatte sich in den Schatten versteckt und uns beobachtet. Deswegen habe ich, als ich das Grab zum zweiten Mal besuchte, wieder zu dem Baum gesehen! Doch beim zweiten Mal hatte sich niemand dort versteckt.«
    »Versteckt?«, fragte Ben. »War es ein Mann oder eine Frau?« Seine dunklen Augen blitzten begeistert. Das war keine Landschaftsbeschreibung, das waren Fakten. Ben Ross , dachte ich ungehalten. Du interessierst dich immer nur für Fakten!
    »Das kann ich nicht sagen. Ich bemerkte lediglich einen dunklen Schatten. Unter dem Baum herrscht tiefe Dunkelheit. Es ist ein riesiger, ausladender Baum, bestimmt hundert Jahre alt. Aber es war jemand dort. Ich habe eine Bewegung bemerkt. Vielleicht hat es nichts zu bedeuten. Vielleicht war es nur ein Fremder, der sich nervös zurückgezogen hat, um uns nicht zu stören.«
    »Aber als du zum zweiten Mal auf dem Friedhof warst«, entgegnete Ben, »nach deinem Zusammentreffen mit Phoebe Roche draußen auf dem Korridor im ersten Stock, hast du festgestellt, dass irgendjemand einen kleinen Strauß Wildblumen auf das Grab des Babys gelegt hat. Wer könnte das gewesen sein, was meinst du? Nach deiner Erzählung hatte Mrs. Craven keine Gelegenheit, dem Grab einen zweiten Besuch ohne dich abzustatten.«
    »Nein, hatte sie nicht. Wie dem auch sei, Lucy bestreitet vehement, dass es ihr Baby ist, das dort begraben liegt. Warum sollte sie also Blumen zum Grab bringen? Ich glaube auch nicht, dass eine der beiden Schwestern einen so armseligen Strauß auf das Grab legen würde – oder überhaupt irgendeinen Strauß! Es scheint eine Art stillschweigende Vereinbarung zu geben, dass unter dem Dach von Shore House nicht über Lucys Kind gesprochen wird.«
    Es ist, dachte ich bei mir, als wäre die arme, kleine Seele nicht so sehr vergessen, sondern vielmehr ausradiert worden – wie ein falscher Pinselstrich in einem Gemälde. Phoebe wagte nur in einem dunklen Korridor und im Flüsterton, wo niemand sie sehen oder hören konnte, ihrem Bedauern Ausdruck zu verleihen. Selbst Lucy hatte gewartet, bis wir aus dem Haus waren und sie mir auf dem Friedhof das Grab zeigen konnte, bevor sie von ihrem Verlust gesprochen hatte. Es war ihre Weise, auf das Thema zu kommen – als brauchte sie eine Entschuldigung, eine Ausrede, um über ihr Baby zu sprechen.
    »Bitte versuch nicht, das Wort ›Verlust‹ zu benutzen, wenn du mit ihr redest, Ben«, sagte ich laut. »Sie weigert sich zu akzeptieren, dass das Baby tot ist, und wenn du mit ihr redest, als wäre es tot, reagiert sie äußerst aufgebracht. Es ist nicht weiter überraschend, denke ich, angesichts der Schwestern, die sich verhalten, als hätte das Kind niemals existiert, und die ihr keinerlei Mitgefühl und Unterstützung anbieten in ihrer Trauer. Lucys Art, mit dieser entsetzlichen Situation umzugehen, besteht darin, so zu tun, als wäre nie etwas passiert. Dieses Hausist sehr … sehr ungesund für sie, Ben. Das ist meine Meinung, wenn du es wissen möchtest.«
    »Mrs. Cravens Geisteszustand …«, begann Ben, doch weiter kam er nicht. Plötzlich riss er den Arm hoch und deutete in die Ferne, in Richtung der Heide.
    »Was ist das? Ist das ein Feuer?«
    Ich stand mit dem Rücken zur Heide und musste mich umdrehen, um in die angegebene Richtung zu sehen. Eine dunkle Rauchwolke hatte sich in einiger Entfernung gebildet und stieg langsam in die Höhe wie ein Schmutzfleck am makellos blauen Himmel. Es konnte nur ein Feuer sein – irgendetwas war in der knochentrockenen Heide in Flammen aufgegangen.
    In diesem Moment hörten wir das Rumpeln von Wagenrädern, die mit großer Geschwindigkeit herannahten. Wir eilten an der Seite des Hauses entlang und zum Tor und kamen gerade noch rechtzeitig, um einen schweren Farmwagen vorbeirattern zu sehen, die Zugpferde in vollem Galopp. Der Wagen war bunt bemalt und trug eine Gruppe von Landarbeitern und Bauern, allesamt bewaffnet mit Reisigbesen. Der

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