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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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Bundeskriminalamtes und einige andere Herren. Sie winkten uns freundlich zu. Wir nahmen Platz. Dann kam der Staatssekretär a. D. Schreckenberger an unseren Tisch und bat: ›Würden Sie mich bitte dem Herrn Außenminister vorstellen?‹
    Ich sagte: ›Das ist Herr Professor Schreckenberger.‹
    Und er ergänzte zu meinem Missfallen: ›Ich bin hier zusammen mit …‹
    Der sowjetische Dolmetscher, der das übersetzte, wurde immer bleicher und stellte die Herren mit ihren Amtsbezeichnungen alle vor. Ich wurde zwar nicht bleich, dachte aber, hoffentlich meint Schewardnadse jetzt nicht, dass ich ihm mit der Historie vom verschwundenen Fisch einen Bären aufgebunden und eine Falle gestellt habe.
    Deshalb sagte ich: ›Sehen Sie, Herr Kollege, wenn Sie nach Moskau zurückkommen, dann können Sie dem KGB-Chef sagen, alle, die du da mit Fotos in deinen Akten hast, habe ich leibhaftig gesehen.‹
    Da hat er sich ausgeschüttet vor Lachen. Dieser Abend, den wir mit einer gutschmeckenden Bowle, die Ria für uns zubereitet hatte, beendet haben, hat uns auch menschlich sehr viel näher gebracht. Und das haben wir ja dann bald auch gebraucht.«

    Die Freundschaft blieb auch bestehen, nachdem Genscher aus dem Amt geschieden und Schewardnadse Präsident Georgiens geworden war. Als Genscher von der unsicheren Lage in Tiflis hörte, veranlasste er, dass Schewardnadse aus Deutschland eine gepanzerte Limousine geschenkt wurde. Sie rettete ihm bei einem Attentat das Leben.

    Ria war eine Bonner Institution. Ich habe mit ihr an ihrem 60. Geburtstag auf dem Tisch im Maternus getanzt, nachdem Bundespräsident Scheel der Wirtin in ihrem Restaurant das Bundesverdienstkreuz unter dem Applaus der geladenen Gäste umgehängt hatte. Ria verkörperte die rheinische Frohnatur an sich. Und sie war äußerst großzügig. Wie ich selbst häufig erlebt habe.
    Während meines Studiums verdiente ich mir ein Zubrot beim Besucherdienst von Inter Nationes, einem Verein, der dem Bundespresseamt angegliedert war. Für Journalisten, Abgeordnete, Wirtschaftsführer und Politiker aus allen Ländern der Welt, die von den deutschen Botschaften in die Bundesrepublik eingeladen wurden, stellte Inter Nationes ein jeweils individuell zugeschnittenes Besuchsprogramm zusammen. Zur Betreuung der Gäste wurden Studenten, die auch als Dolmetscher dienten, für einen ordentlichen Tagessatz beschäftigt. Und da die Gäste ja nicht mit der Straßenbahn fahren sollten, stand ihnen ein Mercedes mit Fahrer, meist auch ein Student, zur Verfügung. Es war ein interessanter Job, denn ich lernte nicht nur Menschen aus allen Ländern der Welt kennen, sondern durch die Gespräche, die sie in Ministerien, in der Wirtschaft, wo auch immer führten, vieles über Deutschland.
    Besonders wichtig war mir, der ich als Student immer Hunger hatte, die Aufgabe, mit den Gästen auch mittags und abends in ein gutes Restaurant zu gehen. Da bestellte ich schon mal ein Chateaubriand für mich ganz allein, und wenn der Kellner sagte, das sei aber eine Portion für zwei, antwortete ich lakonisch, das wisse ich. Besonders gern führte ich die Gäste aber zu Ria, und das nicht nur, weil ich sie mochte. Bei ihr brauchte ich nie die Rechnung zu bezahlen, sondern es reichte, wenn ich sie unterzeichnete und mit dem Aktenzeichen des Besuchsprogramms versah. Das ersparte mir später Bürokratie bei der Abrechnung.
    Auch wenn ich einer jungen Dame etwas Besonderes bieten wollte, fuhr ich mit ihr, so sie ein Auto hatte (ich besaß keines), nach Godesberg zu Ria. Im Sommer saß man gern hinten im Gärtchen, wo Genscher mit Schewardnadse auf die versammelten Chefs der deutschen Geheimdienste traf. Und wenn wir dann fein getafelt und eine ordentliche Flasche Wein geleert hatten, dann stand auf der Rechnung nur die Bemerkung: »Sie waren Gast des Hauses«, und Roland, ein Franzose, oder einer der anderen Kellner, stellte zum Abschied noch eine Flasche Cognac auf den Tisch und wünschte einen schönen Abend.
    Als ich bei der Sendung Monitor kritische Berichte über den BND machte und von Gehlen und Strauß verklagt wurde, weil ich über die angebliche Bestechung von Franz-Joseph Strauß durch die amerikanische Flugzeugfirma Lockheed berichtet hatte – beide hatten nicht gewonnen –, da nahm mich Ria beiseite und sagte: »Oh Gott, wie die über dich reden. Ich habe alles mitbekommen. Aber wenn es ganz gefährlich wird, dann verstecke ich dich hier oben im Kämmerlein unterm Dach!« Wer »die« waren, das

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