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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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Callaghan ist zu danken, dass sie bei den Amerikanern massiv auf den NATO-Doppelbeschluss gedrängt haben.«
    Der Gipfel mit Jimmy Carter auf Guadeloupe war auf Anfang Januar 1979 gelegt worden. Helmut Schmidt beschloss, dem kalten Winter in Deutschland zu entfliehen und vorher noch einen Abstecher nach Jamaika zu machen, wo er mit dem norwegischen Ministerpräsidenten und dem kanadischen Premier Trudeau als Vertreter des »Nordens« und mit vier Staats- und Regierungschefs des »Südens« noch einen spontanen Nord- Süd-Dialog einplante.
    Guadeloupe gehört zu Frankreich. Und nach den Regeln der ARD berichtet dann auch ein Korrespondent des Pariser Büros über das Geschehen. Auf mich fiel das Los. Meine Skiferien sagte ich sofort ab. Und wenn ich schon nach Guadeloupe reiste, so die ARD, könnte ich vorher auch noch vom Nord-Süd-Gipfel in Jamaika berichten. Die Flüge wurden für mich und das Team gebucht. Allerdings gab es auf Jamaika keinerlei logistische Unterstützung durch die dortigen Behörden, wie es sonst bei Gipfeltreffen üblich ist. Und alle Leihwagenfirmen erklärten, auf Jamaika seien keine Fahrzeuge mehr zu mieten. Denn da es in dem sozialistisch regierten Land keine Ersatzteile gäbe, würde man einen Wagen mieten, bis das eigene Auto wieder fährt. Wir würden uns irgendwie durchschlagen müssen.
    Im Flugzeug traf ich glücklicherweise Roshan Dhunjibhoy, eine in Kalkutta geborene Journalistin, die für den WDR gearbeitet hatte. Eine großartige, engagierte Frau. Jetzt baute sie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung in Jamaika ein Zentrum für Massenkommunikation auf. Ich bat sie um Rat. Wie würden wir am nächsten Morgen zur Nord-Süd-Konferenz am Runaway Bay im Norden von Jamaika kommen?
    »Kein Problem«, sagte Roshan, »du kommst jetzt mit mir nach Hause. Dein Team fährt mit dem Equipment ins Hotel.«
    Um elf Uhr abends kam Roshans Fahrer, den sie uns für die kommenden Tage auslieh. Er würde uns am nächsten Morgen um sechs Uhr im Hotel abholen. Um sechs Uhr früh? Es war schon Mitternacht, wir waren seit fast 24 Stunden unterwegs und erschöpft.
    »Macht euch nichts draus«, sagte Roshan, »der kommt nie um sechs Uhr. Der ist immer eine Stunde zu spät.«
    Am nächsten Morgen um sechs Uhr klingelte uns der Hotelportier aus den Betten. Der Fahrer stand mit einem alten Peugeot- Kombi vor der Tür. Er brachte uns in drei Stunden zu der Villa am Runaway Bay, wo die Nord-Süd-Konferenz stattfand. Kameramann Michael Giefer hatte gerade noch Zeit, eine Filmrolle in seine Eclair zu laden und sie zu schultern, da kam auch schon Bundeskanzler Helmut Schmidt angefahren. Das Team durfte ein paar Bilder vor Beginn der Sitzung drehen, und wir saßen wieder draußen auf der Wiese.
    Regierungssprecher Klaus Bölling war mitgereist. Ich fragte ihn über die Ziele der Konferenz aus, schrieb einen Text für die Tagesschau, machte einen Aufsager vor der Kamera, in dem ich das Ergebnis der Konferenz vorwegnahm, und gab den Beutel mit Filmmaterial, Tonbändern und Text dem deutschen Botschafter, der mit einem Hubschrauber nach Kingston zurückfliegen sollte. Er wollte den Beutel abends auf eine Lufthansa- Maschine von Kingston über New York nach Frankfurt packen. Der Bericht würde dann zum Abschluss der Nord-Süd-Konferenz in der Tagesschau laufen.
    Ich gab der Tagesschau in Hamburg die Flugdaten durch.
    Die Maschine sollte am nächsten Morgen in Frankfurt landen. Aber wegen der heftigen Schneestürme wurde sie nach Hannover weitergeleitet. Dort holte ein Mitarbeiter des NDRLandesstudios den Filmbeutel am Flugzeug ab und brachte ihn eilig ins Kopierwerk. Das konnte nur Agfa-Filme entwickeln. Wir drehten aber auf Kodak-Material, das in Frankreich üblich war. Also wurde der Beutel auf einen Zug nach Hamburg gege- ben. Dieser Zug blieb im Schnee stecken. Deshalb ist der Bericht nie gesendet worden. Denn als der Beutel nach Tagen endlich bei der Tagesschau in Hamburg ankam, war die Konferenz in Jamaika schon längst nicht mehr aktuell. Aber das erfuhr ich erst nach meiner Rückkehr in Paris.

    Am Runaway Bay waren alle Hotels wegen der Weihnachtsferien ausgebucht. Zu viert bekamen wir gerade noch ein Zimmer in einem Hotel am Strand.
    Wir blieben, da der Bundeskanzler uns noch ein Interview für den Tag vor Silvester zugesagt hatte. Es sollte während des Gipfels von Guadeloupe im Bericht aus Bonn gesendet werden. Inzwischen war Robert Held, der Außenpolitiker der FAZ , zu uns gestoßen. Er wusste: das

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