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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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Mentalität des Westerns. So hoffte ich.
    Cody war der Nachname von Buffalo Bill der im Europa des 19. Jahrhunderts wohl der berühmteste Amerikaner war. Mit seiner Wild West Show zog er durch den alten Kontinent. Als Buffalo Bill um 1890 mit Cowboys, Pferden, Büffeln und Hunderten von Indianern in der Karlsruher Südstadt kampierte, wurden die Bürger dieses Ortsteils zu »Südstadtindianern«. So werden sie heute noch geneckt. Zwei Brunnen tragen dort immer noch Indianerköpfe. Und auf dem Zentralfriedhof in Braunschweig, wo die Wild West Show Zuschauerrekorde erreichte, wurde ein Sioux-Indianer beerdigt, der von den Hörnern eines Büffels schwer verletzt worden war.
    Den Spitznamen »Buffalo« verdiente Bill Cody sich, als er die Arbeiter der Kansas Pacific Railway mit Fleisch versorgen musste und Tausende von Bisons erschoss. Weit mehr, als gegessen wurden.
    Schon als Junge machte er sich einen Namen als Reiter beim Pony-Express. Angeblich ritt er 322 Meilen an einem Stück in 21 Stunden und 40 Minuten und benutzte dazu 21 Pferde. Eine Strecke wie von Hamburg nach Wiesbaden.
    Ein amerikanischer Journalist namens Ned Bluntline vermehrte Buffalo Bills Ruhm zu dessen Lebzeiten, indem er Berichte, Theaterstücke und Groschenhefte über Bill Cody veröffentlichte. Allerdings waren die meisten Schilderungen der angeblichen Heldentaten weit übertrieben. Aber sie bildeten viele noch heute geltende Klischees über den Wilden Westen.
    1896 hatte William Frederick Cody, wie er mit vollem Namen hieß, einen Ort mit seinem Namen im Bighorn Basin im amerikanischen Bundesstaat Wyoming gegründet.
    Cody nennt sich heute noch »Rodeo-Hauptstadt der Welt«. Buffalo Bill gilt als Erfinder des Rodeo zum Nationalfeiertag am 4. Juli.
    Im Sommer findet jeden Nachmittag vor dem Hotel Irma ein »Shootout« statt. Eine Dreiviertelstunde lang liefern sich ein Dutzend Westernhelden eine Revolverschlacht, die mit dem Einsatz von Gewehren endet – und einer Reihe von Scheintoten auf der Straße.
    In Cody war ich mit Buffalo Bills beiden Enkeln Bill und Fred verabredet.
    Bis ich in Wyoming in den Rocky Mountains die Stadt Cody erreichte, fuhr ich von dem nächstgelegenen Provinzflughafen zweieinhalb Stunden durch eine grasbewachsene, baumlose Hochebene, eingegrenzt im Osten vom Bighorn-Bergzug, wo General Custer seine so schmähliche Niederlage gegen die Rothäute, angeführt von den Häuptlingen Sitting Bull und Crazy Horse, einstecken musste, und im Westen vom Absaroka-Gebirge mit seinen Viertausendern.
    Als ich endlich in die Hauptstraße von Cody einbog, in eine Kulisse, in der heute noch High Noon spielen könnte, war ich schon eingestimmt von der Landschaft, die ich eben durchquert hatte, wo ich an Farmen von der Größe des Saarlandes vorbeigefahren war, wo das nächstgelegene County den Namen »Hole in The Wall« trug, benannt nach jenem berüchtigten Zufluchtsort von Männern wie Butch Cassidy und Sundance Kid, geschaffen durch einen Einschnitt in die fast tausend Meter hohe Felswand, eine Abgrenzung zur Hochebene im Westen. Hier schämt man sich der Menschen nicht, die zwar Verbrecher waren, heute aber als Helden verehrt werden.
    An der breiten, wenig befahrenen Hauptstraße steht das große Hotel, das Buffalo Bill Cody für seine Tochter Irma gebaut hatte. Im Schaufenster des Saloons hängt heute noch der Silberdollarsattel – alle Münzen mit einem Schuss vom Blei durch- löchert. Die Bar aus hellem Kirschholz hatte Buffalo Bill, so will es die Legende, angeblich Queen Victoria von Großbritannien geschenkt, als er sie 1887 mit seiner Show in London beeindruckt hatte.
    In diesem Saloon traf ich mich mit den Enkeln des Westernhelden. Beide trugen helle Cowboyhüte. Und wäre ich nicht solch ein Feigling auf der Bühne gewesen, hätte ich meinen Hut mitsamt Löchern aufgesetzt. Sie sahen einander, aber auch ihrem Großvater sehr ähnlich. Fred war in sich gekehrt, Bill extrovertiert.
    Enkel Bill Cody hatte sich einen »Buffalo Bill«-Bart stehen lassen und sah deshalb wie sein Großvater aus: Ziegenbart unter dem Kinn, Schnauzer über der Oberlippe. Er bestellte eine Runde Turkey, sechzigprozentigen Bourbon gemischt mit Cola.
    Silberdollar in die Luft zu werfen und mit einem gezielten Schuss zu durchlöchern, das war die Spezialität seines Großvaters Buffalo Bill gewesen. Und die Enkel, inzwischen selbst über siebzig Jahre alt, stammten von eben jener Irma ab, nach der das Hotel benannt ist. Irma heiratete einen Herrn Garlow,

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