Neugier und Übermut (German Edition)
Koalition.
Der Cowboy hatte über den Kommunisten gesiegt.
Inzwischen war ich nach Hamburg gezogen, um die Tagesthemen zu moderieren. Hier beim NDR lagen die Redaktion und die Studios von ARD-aktuell. Und es hatte sich auch ergeben, dass ich Reitunterricht genommen und sogar einen Trakehner- Schimmel gekauft hatte, mit dem ich mehr recht als schlecht auskam. Manches Wochenende besuchte ich auf dem Land meinen Freund Stefan Aust, damals Chefredakteur beim SPIEGEL , der in einem Waldstück auf der Südseite der Elbe eine Jahr für Jahr wachsende Pferdezucht betreibt. Wir ritten manchmal aus. Mir wurde das vorsorglich vorher schon einmal abgerittene, brave Pferd seiner Frau gesattelt. Aber ich fiel auch beim langsamen Galopp nicht runter.
Eines Abends, an dem ich mit Stefan zusammensaß, erschien mir Bill Cody vor Augen, und ich erzählte von dem Gespräch im Silver Dollar Saloon und von der Ranch, von der aus man in die Rocky Mountains reiten konnte. Ich hatte kaum ausgeredet, da sagte Stefan: »Das machen wir. Ich komme mit.« Und seine Frau, Katrin, signalisierte Zustimmung.
Im August ist das Klima in den Rocky Mountains trocken und sommerlich. Der Shoshone-Stausee, der inzwischen auch nach Buffalo Bill heißt, liegt zwischen Cody und dem Yellowstone Park.
Wir waren um sechs Uhr früh im Hotel Irma aufgestanden und mit einem Pick-up abgeholt worden.
Gut fünf Meilen hinter dem Damm starteten wir am ersten Tag mit unserem Ritt durch die Rocky Mountains morgens um acht. Cowboy Terry hatte eine Gruppe von sechs Reitern, neben uns auch einige Amerikaner, zusammengestellt. Er schaute sich jeden genau an und teilte ihm ein passendes Pferd zu. Quarterhorses, ehemalige Wildpferde. Als Letzter kam ich dran und bekam das größte Pferd, es hieß Ray. Früher hatte es Rodeoreiter buckelnd abgeworfen, jetzt aber war es lammfromm und trug einen Westernsattel mit einem großen Knauf. Die Sättel wiegen vierzig Pfund, sind also schwer, damit ein um den Knauf gewi- ckeltes Lasso auch hält, wenn ein gefangener Bulle daran rütteln sollte.
Terry ritt vorweg, hinter sich Packtiere, Pferde und Maultiere, danach Marcia, auch sie führte einige Packtiere. Und dann wir sechs. Innerhalb von sechs Stunden kletterten die Pferde von achthundert auf zweitausendzweihundert Meter Höhe, über Waldpfade oder – völlig trittsicher – über die rund gewaschenen Felssteine in Gebirgsbächen. Im Wasser ließen wir die Zügel fallen, die Pferde tranken.
Plötzlich tat sich ein weites, scheinbar völlig unberührtes Tal vor uns auf, eine große gelbe Fläche zwischen Bergrücken, die über dreitausendfünfhundert Meter steil anstiegen. Noch eine halbe Stunde, wieder durch einen kleinen Bach, dann sollten wir unseren Rastplatz erreichen.
Terry rief: »Halt«, verharrte einen Moment auf seinem Pferd, drehte um und sagte: »Hier geht es nicht.«
Später, als wir ein Stück weiter am Lagerfeuer saßen und die Zelte aufgebaut hatten, erzählte er, einen halb von Bären gefressenen Pferdekadaver gesehen zu haben. Die Bären würden sicherlich wiederkommen. Und dann kratzte er sich verwundert unter dem Hut, den er nie ablegte. Niemand lässt normalerweise einen Pferdekadaver liegen, der wird vergraben, damit die Bären nicht auf den Geschmack kommen.
Um sechs Uhr wurde es dunkel. Marcia kochte. Steak, dicke Bohnen.
Um neun Uhr hievten wir zu dritt die Vorratskiste über einen vier Meter hoch hängenden Ast, damit kein Bär sie erreichen konnte. Wir wurden davor gewarnt, Lebensmittel ins Zelt mitzunehmen, und für Notfälle erhielt jedes Zelt einen »bear mace«, ein Gerät, das aussah wie ein Revolver für Leuchtmunition. Das Rohr war gefüllt mit einer Chemikalie, die angeblich jeden Bären in die Flucht jagen würde. Gesehen haben wir auf dem ganzen Ritt nicht einen, allerdings viele Abdrücke von Tatzen. Eine Truppe mit so vielen Pferden, erklärte Terry, vertreibt die scheuen Tiere.
Nachts fällt die Temperatur hier selbst im August fast auf null Grad. Am ersten Morgen wurden wir durch das Geheul von Kojoten geweckt, die wie ein großes Orchester im Halbkreis, nur hundert Meter entfernt von unserem Lager, in den Himmel jaulten – einige kurze Beller und dann ein lang gezogener Heuler. Das Echo hallte eindrucksvoll aus den Bergen zurück.
Hier draußen wirkt der Westen manchmal noch so unberührt und wild wie in den Zeiten von Buffalo Bill.
Terry stammte aus einer bürgerlichen Familie und hatte sogar das College besucht. Doch schon im
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