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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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Alter von sechzehn Jahren begann er, in den Sommerferien als Cowboy zu arbeiten. Und kaum hatte er seinen Bachelor in der Tasche, zog er in die Rocky Mountains. Terry wollte in Freiheit leben.
    Im Sommer, der von Ende Mai bis Ende September dauert, führt er kleine Gruppen auf dem Pferderücken durch die Berge. Im Winter reitet er allein mit Lasttieren zu einsamen Berghütten, wohin wohlhabende Menschen mit Schneemobilen fahren, um Bären oder Elche zu schießen. Terry versorgt sie dann mit Proviant. Manchmal ist er zwei Wochen allein im hohen Schnee unterwegs.
    Wir ritten etwa sechs bis sieben Stunden am Tag. Meist im Schritt – wegen der Packpferde. Abends sattelten wir ab. Die Rastplätze lagen stets an einem Bach. Die Pferde wurden entladen. Marcia zündete ein Lagerfeuer zum Kochen an. Zum Kühlen legten wir ein paar Dosen Bier in den Bach, zogen uns aus und badeten. Das Wasser war meist kälter als 14 Grad. Aber nach einem Tag im Sattel war es erfrischend. Und jeden Morgen holte ich vom Feuer eine Schale heißes Wasser, rief Stefan zu, das Rasierwasser sei zubereitet, und wir schabten unsere Bärte am Bach ab. Er stieg dann immer noch ins Wasser. Das war mir zu kalt.
    Jeden Abend ließ Terry, der Cowboy, alle zwanzig Pferde und Maulesel frei und hängte einigen eine große Glocke um. Nur eines pflockte er an. Mit dem fing er am nächsten Morgen die Herde in wenigen Minuten wieder ein. Eines Abends aber hatte der Mond sein volles Gesicht gezeigt, da war es so hell, dass die Tiere wanderten. Und in dem zweitausend Meter hoch liegenden, breiten Tal in den Rocky Mountains im südlichen Teil des Yellowstone Parks, dort wo Adler und Habichte zwischen den Wolken und den Viertausendern ihre Kreise drehen, gibt es viele kleine Schluchten im Gebirge. Dort können sich Pferde leicht verstecken.
    Wir warteten länger als üblich auf Terry und die Pferde. Nach einer Stunde kam er zurück. Ein wenig angestrengt. Nein, wir hatten die Pferde nicht gesehen. Er galoppierte wieder los.
    Eine Stunde später kam ein fremder Cowboy in unser Camp geritten. Er fragte Marcia, die dickliche Köchin, deren Revolver stets neben dem Kochtopf lag: »Habt ihr fremde Pferde gesehen? Mir fehlen fünf.«
    Wir saßen um das Feuer und tranken den Kaffee aus Emaillebechern. Seine Frage ließ uns lachen.
    »Uns fehlen alle Pferde«, sagte Marcia, »Terry sucht sie schon seit zwei Stunden.«
    Der Yellowstone Park ist eines der ältesten Schutzgebiete der Welt für wilde Tiere. Tausende Hirsche, Büffel, Bären, Biber und Elche, Antilopen und Bergschafe leben in diesem Gebirgsgarten Eden. Die Wölfe waren weggeschossen worden, doch Naturfreunde hatten aus Kanada neue Tiere eingeflogen und sie sesshaft gemacht, sehr zum Ärger der Einheimischen. Terry fluchte: »Diese Leute, die sich Naturliebhaber nennen, haben keine Ahnung von Natur. Der Wolf hat keinen natürlichen Gegner, und jetzt reißt er alles, vermehrt sich viel zu stark und darf trotzdem nicht geschossen werden.«
    Vier Stunden suchte Terry, dann hörten wir ein sich aus der Ferne näherndes Geläut. Für zehn Uhr war der Aufbruch geplant gewesen, aber allein das morgendliche Beladen der zwölf Packtiere dauerte meist eine Stunde. Mich hatte Terry zu seinem Gehilfen auserkoren, und ich kannte schon jeden Handgriff, wusste, wann er mir das Seil über den Rücken des Pferdes reichte, damit ich es unter dem Bauch durch eine Schlaufe zog und ihm zum Verknoten zuwarf. Jetzt war es schon weit nach Mittag, und der nächste Rastplatz in mehr als dreitausend Metern Höhe war noch sechs Stunden Ritt entfernt.
    Schon sechs Tage lang war unsere kleine Truppe unterwegs, zwei davon zwischen schwarz verkohlten Baumstämmen, die immer noch von dem großen Feuer vor fünfzehn Jahren zeugten, als ein Drittel des Yellowstone Parks abgebrannt war. Wenn ein Wald alt und schwach wird, dann entflammt ihn ein trockener Blitz. Zwischen den Stümpfen wächst später helles Grün hervor. So ist die Natur, sagen die, die es ablehnen, solch ein natürliches Feuer zu löschen.
    In der Ferne liegt der Grand Teton, einer der gewaltigsten Berge der Rocky Mountains, Vorbild für manch ein Gebirge in Walt Disneys Trickfilmen, ein Berg, der wie eine großartige Skulptur wirkt, weil die Felsen sich aufeinanderstapeln, übereinanderdrängen, als würde eine gewaltige Kraft sie aus der Erde herausdrücken.
    Terry erzählte: »Vergangenen September hatte sich eines unserer Pferde einmal so weit von der Gruppe entfernt, dass wir

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