Neugier und Übermut (German Edition)
ausscheidet, wurde mit einem kleinen Spaten vergraben. Keine noch so flüchtige Spur vom durchreitenden Menschen sollte in der Natur verbleiben.
Nur die Hufeisen, die blieben liegen.
Terry antwortete: »Überall in den Rocky Mountains findest du Pfeilspitzen der Indianer, wir lassen dafür unser eisernes Symbol zurück.«
Der Kampf zwischen den Ureinwohnern und den Siedlern hat noch kein Ende, Buffalo Bill reitet immer noch gegen die Shoshonen.
Gewerkschaftsboss mit schusssicherer Weste
»Es gibt zwei Distrikte in New York, da bist du immer sicher«, sagte mir Sonny Grosso, der in seinem Gürtel unter dem Pullover immer einen geladenen Revolver trug, »in Little Italy und in Chinatown. In Little Italy sorgt die Mafia dafür, dass den Kunden nichts passiert. In Chinatown machen das die Tongs. Die Streitigkeiten werden untereinander ausgetragen.«
»Und warum trägst du immer eine Pistole mit dir?«, fragte ich ihn. Wir saßen in seinem Stammlokal in Little Italy, er immer mit dem Rücken zur Wand, mit Blick auf die Eingangstür.
»Weil ich kein normaler Kunde bin.«
Nein, das war Sonny Grosso wirklich nicht. Er, der Anfang der dreißiger Jahre in Düsseldorf zur Welt kam, war einer der beiden Detektive, die in dem legendären Film »French Connection« verewigt wurden, weil sie 1961 in einer abenteuerlichen Polizeiaktion einen Heroin-Ring der Mafia gesprengt und dabei eine große Menge Drogen beschlagnahmt hatten. Seine Rolle wurde von Roy Scheider gespielt, der dafür mit dem Oscar für die beste Nebenrolle nominiert wurde. Nach zwanzig Jahren Dienst können sich Detektive der New Yorker Polizei pensionieren lassen. Das tat Sonny Grosso und wurde Berater für Filme wie »Kojak« und der »Pate«. Im »Paten« hat er sogar eine kleine Rolle als Polizist gespielt.
Sonny Grosso war auch mein Informant. Ich lebte als Korrespondent Anfang der achtziger Jahre in New York. Im Winter 1984 suchte ich Matthew Eason, den Vorsitzenden von Local 20408, einer von Eason gegründeten Gewerkschaft, die Schwarze und Einwanderer vertrat, die im New Yorker Garment District, dem Textilviertel gleich um die Ecke vom Broadway südlich der Vierzigsten Straße, arbeiteten. Dort aber herrschte die Mafia. Sie herrschte über die Produktionsstätten, über die Zulieferer, bestimmte die Löhne und wer in die Gewerkschaft aufgenommen wurde. Da störte ein ehrlicher Mann wie Matthew Eason, über dessen gefährdetes Leben ich einen Film drehen wollte.
»Du kannst ihn übermorgen treffen«, sagte Sonny Grosso, dessen Codename bei der Polizei Cloudy gewesen war – als Gegensatz zu Sonny, sonnig – wolkig. »Ich habe mit ihm geredet und für dich gebürgt.«
»Und wo treffen wir uns?«
»In einem Hotel in Midtown. Morgens ruft dich jemand an und gibt dir eine Adresse durch.«
Der Anruf kam, aber die Verabredung blieb äußerst vage. Eason komme irgendwann am Nachmittag in einem kleinen Hotel in Midtown vorbei, ein Besprechungszimmer sei unter meinem Namen reserviert. Nein, in seinem Büro könne man ihn nicht treffen und bitte, dies seien keine Starallüren.
Um halb vier schaute dann ein kleiner grauer Mann mit klar erkennbarer Ausbuchtung in der Jacke zur Tür herein, zog sich wieder zurück; ein zweiter Mann erschien, öffnete die Tür ganz, ihm folgte, zwei Meter groß, drei Zentner schwer, der riesige Gewerkschafter Matthew Eason, der von Mafia und Teamster- Gewerkschaft in New York gefürchtete Rebell. Während Eason, 48 Jahre alt, sein Wohlgefühl durch Grunzen äußerte und sich in den einzigen ihn fassenden Sessel fallen ließ, postierten sich die beiden Leibwächter, übrigens Polizisten bei der Schwarzarbeit, an der Tür.
Leibwächter umgeben ihn Tag und Nacht, wenn er nicht gerade untergetaucht ist, denn Matthew Eason geht davon aus, dass die Mafia einen contract über sein Leben abgeschlossen hat, wie man hier sagt, und das heißt nichts anderes als: Ein Berufskiller ist auf ihn angesetzt.
Jahrelang war Eason, einst Schwerarbeiter und Lastwagenfahrer, überall aktiv in Gemeindepolitik und Gewerkschaftsarbeit. Ein Mann mit lauter Stimme, mit riesigem Appetit, der Tag und Nacht für das, was er als Gerechtigkeit empfindet, arbeitete. Seine kleine Wohnung im New Yorker Stadtteil Brooklyn quoll stets über von jungen Menschen, die Rat suchten oder an einem seiner vielen Hilfsprojekte mitarbeiteten.
Zum Helfen fühlte er sich erzogen, ist doch freiwilliger Einsatz für die Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten eine
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