NeuGier
Anfragen und sagte den Termin zu. Anders als sonst verließ sie die Werkstatt über Mittag, um wirklich eine Pause zu haben.
Es war erst der Gedanke an Jackson, der sie die Hektik des Morgens vergessen ließ und ihr die so entspannende Schwere ihres Gemüts bescherte. Die letzten Geräusche um sie herum verstummten und ihre Umgebung verblasste.
Was ist das Beste, das dir je passiert ist?
, schrieb sie ihm.
Wieder einmal überraschte er sie:
Das Beste kommt zum Schluss.
Kate musste lächeln und hakte nach:
Wie meinst du das?
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht so recht
, las sie darauf.
Hätte man mich das vor zwei Wochen gefragt, hätte ich vielleicht an ein oder auch zwei bestimmte Erlebnisse gedacht. Aber momentan habe ich das Gefühl, dass mir das Beste erst noch geschehen wird.
Das Lächeln gefror auf ihren Lippen und ein Prickeln kroch über ihre Haut. Bezog er das etwa auf sie? Ging er davon aus, dass ihm das Beste mit ihr geschehen würde?
Jetzt du!
, forderte Jackson sie auf.
Verglichen mit seiner war ihre Antwort beinahe banal. Nichtsdestotrotz entsprach sie der Wahrheit und bezog sich auf das Jetzt.
Das Beste, was mir passiert ist, war meine Ausbildung bei dem Mann, der mir bei der Entfaltung meiner Kreativität alle Freiheit ließ und mir später sein Geschäft vermachte, um mir die Möglichkeit zu geben, die zu werden, die ich nun bin.
Hast du mit ihm geschlafen? :-)
Hätte Jackson keinen Smiley an die Frage angehängt, hätte Kate sie ihm verübelt.
Du schaffst es auch, jedes Thema zu versexen!
, entgegnete sie.
Natürlich habe ich nicht mit ihm geschlafen. Er hätte mein Großvater sein können.
Na dann … Aber wenn er vierzig Jahre jünger gewesen wäre?
Auch dann nicht.
Allmählich wurde sie doch sauer.
Vielleicht meinst du auch, ich schlafe mit allen Juwelieren, damit sie meine Kollektionen kaufen.
Ohne seine Reaktion abzuwarten, schaltete Kate das Gerät ab und ging in die Werkstatt. Als sie am Abend nachsah, fand sie eine Entschuldigung, die so süß war, dass ihr Groll verpuffte. Eine Antwort verkniff sie sich dennoch und verkrümelte sich auf ihre Fensterbank, um zu lesen. Kurz vor Mitternacht nickte sie über ihrer Lektüre ein und wurde vom Signalton des Handys geweckt.
Ist alles gut?
, erkundigte sich Jackson.
Oui
, tippte sie ein und feixte über sich selbst. Wenn sie noch länger mit Jackson schrieb, würde sie bald so gut Französisch sprechen, dass sie das Land bereisen konnte, ohne zu verhungern.
Ich bin nur ziemlich müde.
Bonne nuit!
Dito.
***
Jacksons Frage zum Freitag irritierte Kate.
Magst du Karneval?
Als Teenager hatte sie zuletzt Karneval gefeiert. Ein Mitschüler hatte die Party im Haus seiner Eltern veranstaltet und, entgegen der gesetzlichen für Minderjährige geltende Vorschriften, war jede Menge Alkohol geflossen. Sie war so betrunken gewesen, dass sie den Heimweg kaum gefunden und sich, da sie viel zu lange in der Kälte unterwegs gewesen war, auch noch erkältet hatte.
Dass gerade Karnevalszeit war, wurde ihr beim Weiterlesen bewusst. Jackson lud sie ein, am Abend nach San Francisco zu kommen. Auf eine Karnevalsparty allerdings.
Da war sie also, seine nochmalige Bitte, ihn wiederzusehen.
Kate kniff die Augen zu. In ihren Gedanken tauchte Henry auf, wie er auf der Couch gesessen und auf sie gewartet hatte. Würde er heute wieder warten? Hatte sie vorgehabt, zu ihm zu fahren?
Den Kopf in die Hände gestützt, beschloss sie, Henry anzurufen und eine – ihr Geist formte das Wort mit so viel Verachtung, dass sich ihr Magen zusammenzog – Ausrede zu erfinden. Zu lügen also. Wieder einmal.
Muss ich kostümiert kommen?
, erkundigte sie sich bei Jackson.
Aber unbedingt! ;-)
, ließ er sie mit einem zwinkernden Smiley wissen.
Nur sollte es nicht irgendein Kostüm sein.
Sondern?
Ein medizinischer Beruf.
Ärztin oder Krankenschwester?
Nicht nur hatte Kate keine Ahnung, wo sie auf die Schnelle ein solches Kostüm auftreiben konnte, sondern fand gerade die Variante der Krankenschwester zu klischeebehaftet. Das ließ sie ihn auch wissen.
Dann komm halt wie du möchtest
, schrieb Jackson.
Aber so wäre es witziger, denn mein Kostüm wäre auf deines abgestimmt, und es würde dir mehr Spaß machen, mich zu finden.
Sechs
Die Aufregung saß tief in Kates Gliedern und ließ sie schlottern. Und das seit Stunden. Sie hatte sich nicht mehr auf ihre Arbeit konzentrieren können und es schließlich aufgegeben. Ohnehin wollten einige Vorbereitungen getroffen
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